0254 - Am Hafenkai regiert Gewalt
persönlich haben?«, fragte sie zweifelnd. »Mr. Jarlatan ist außerordentlich beschäftigt und hat mich beauftragt, alles, was nicht gerade von außerordentlicher Bedeutung ist zu erledigen.«
»Ohne Sie kränken zu wollen, Miss Andrews«, lächelte mein Freund, »es ist eine Angelegenheit von größter Bedeutung. Ich möchte fast sagen, von vitaler Bedeutung, für Mr. Jarlatan. Ich glaube nicht, dass er damit einverstanden wäre, wenn wir sie einer dritten Person vortragen, auch nicht, wenn Sie diese Person sind.«
Sie zuckte pikiert die Achseln und griff zu einem roten Telefon. Daneben standen auch noch ein schwarzes, ein weißes und ein blaues. Augenscheinlich war das rote für Gespräche mit dem Chef reserviert.
»Hier Andrews. Verzeihen Sie, Chef, wenn ich Sie störe. Hier bei mir im Büro sitzen zwei G-men, namens Cotton und Decker. Sie behaupten, sie müssten Sie in einer für Sie außerordentlich wichtigen Angelegenheit sprechen.«
Sie hörte ein paar Sekunden zu und sagte: »Einen Augenblick, Chef«, dann wendete sie sich an uns. »Mr. Jarlatan bittet Sie, mir wenigstens andeutungsweise zu sagen, um was es geht.«
Wir sahen uns an und grinsten. .Dann nahm ich das Wort.
»Sie brauchen Mr. Jarlatan nur auszurichten, es handele sich um King Niles.«
»King Niles«, sagte sie.
Es dauerte nur fünf Sekunden bis sie auflegte und bat: »Bitte, gehen Sie den Gang nach links bis zum Ende. Dort befindet sich eine Tür mit der Aufschrift: Chef. An dieser Tür klingeln Sie.«
Sie brachte uns sogar auf den Gang hinaus und wies uns die Richtung.
Jetzt wurde es so vornehm, dass ich mir ordentlich klein vorkam. Der Läufer war rot und weich, die Wände des Flurs waren mit weißer Seidentapete bespannt, und die Türen trugen Nummern, die strahlten, als seien sie aus Gold. Wir pilgerten bis zum Ende und drückten auf den Klingelknopf. Ein leises Summen und die Tür glitt seitlich in die Wand. Nochmals standen wir in einem Vorzimmer, aber es war keine gut aussehende Sekretärin, die uns empfing.
Es waren drei Männer denen das Wort »Gorilla« trotz ihrer durchaus korrekten Kleidung auf die Stirn geschrieben stand. Sie hatten breite, wattierte Schultern, steinerne, ausdruckslose Gesichter mit eiskalten Augen, und unter der linken Achsel je eine kleine Wölbung. Sie musterten uns durchdringend, und dann öffnete einer von ihnen eine neue Tür und sagte: »Die beiden G-men, Boss.«
Sie ließen uns'Vortritt, und zwar nicht aus Höflichkeit. Sie wollten uns im Auge behalten und kamen hinter uns her, als wir Mr. Jarlatans Allerheiligstes betraten.
Jarlatan war Armenier. Wir wussten das bereits, aber wir hätten es ihm auch so angesehen. Er hatte eine gelblichblasse Gesichtsfarbe, mandelförmige braune Augen, feiste Wagen und einen kleinen Schurrbart, der den Mund zur Hälfte verdeckte. Seine Nase war leicht gebogen und sein Haar war schwarz und geölt.
Mit einer weißen, wohlgepflegten Hand machte er eine Bewegung nach zwei Sesseln, und wir nahmen Platz.
»Es wurde mir gesagt, dass Sie mich sprechen wollen«, begann er.
»Ja, und zwar privat und vertraulich«, sagte ich mit einem Blick auf die drei Leibwächter.
»Die sind taub«, lächelte er.
»Trotzdem, Mr. Jarlatan, muss ich dringend darum bitten, dass Sie die Herrschaften während der Dauer unserer Unterredung von ihren Pflichten entbinden.«
»Sie sind bewaffnet«, knurrte einer der drei Torpedos, aber Jarlatan kümmerte sich nicht darum.
»Verschwindet«, sagte er, und die drei gingen sichtlich ungern.
Dann bot er uns Zigaretten aus einer großen silbernen Dose an.
Es waren Simon Arzt aus Port Said, und ich glaubte einen ganz feinen süßlichen Geruch zu verspüren, der eigentlich nicht dazugehörte.
Entweder die Schachtel hatte einmal Marihuanas enthalten oder die Simon Arzt Mr. Jarlatans waren eine Spezialanfertigung, der man ein Atom Haschisch beigefügt hatte.
Es war nicht so viel, als dass es eine besondere Wirkung hervorgerufen hätte.
»Soso«, lächelte er dann und zeigte zwei Reihen blendend weißer Zähne, die ich im Verdacht hatte, sie seien das Meisterstück eines Dentisten. »Die G-men geben mir die Ehre, ihres Besuches. Ich bin natürlich sehr neugierig, warum. Was wissen Sie von mir?«
»Nicht mehr und nicht weniger, als dass Sie Besitzer einer der größten Stauerfirmen der Waterfront sind.«
»Sie sagen das so, meine Herren. Wissen Sie denn, was das bedeutet?«, fragte er.
»Gewiss. Sie besorgen das Be- und Entladen von
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