0254 - Treffpunkt Leichenhaus
gebracht.«
»Keine Sorge. Vielleicht ist alles ganz harmlos. Kommen Sie, Mädchen, wir schaukeln das schon.«
Sukos Optimismus steckte auch Susan an. Sie stieg aus und knotete hastig ihr Tuch um den Kopf, weil der Regen aus den grauen Wolken fiel und das Haar näßte.
Sie schritten nebeneinander auf den Hintereingang zu. »Hier betritt mein Vater auch immer das Leichenhaus«, erklärte Susan.
Suko suchte nach einer Klingel. Er fand sie in der Türnische, rechts im Mauerwerk.
Der Inspektor legte seinen Daumen auf den Knopf und hörte im Innern das schrille Bimmeln einer Glocke. »Das reicht, um Tote aufzuwecken«, kommentierte er lachend.
Susan lächelte schmal.
Schritte und eine Stimme vernahmen sie. Die Stimme klang rauh, zudem ein wenig ärgerlich. »Wer ist denn da, zum Henker! Ich erwarte keine neue Ladung.«
Suko nickte Susan zu, und die verstand. »Ich bin es Dad. Bitte, öffne die Tür.«
»Du?«
»Ja, Dad…«
»Was willst du denn um diese Zeit? Du kommst doch sonst nicht am frühen Mittag.«
»Bitte, Dad, öffne!«
»Ja, ja, okay. Aber ich bin bei der Arbeit. Wenn du keine Angst vor einer Leiche hast, kannst du reinkommen.«
Suko und Susan vernahmen, wie ein Riegel zur Seite geschoben wurde, dann zog Charly Water die Tür auf.
Suko war überrascht, als er den Knaben vor sich sah. Daß Susan über den Zustand ihres Vaters die Wahrheit berichtet hatte, merkte er an der Schnapsfahne, die ihm entgegenwehte. Also hatte der Mann bereits getrunken.
»Was will der Chinese denn hier?« fragte Water zur Begrüßung und hielt sich an der Türkante fest.
»Mit Ihnen reden.«
»Ich aber nicht mit dir, Chinese.« Water wollte die Tür zuhämmern.
Er schaffte es fast, bis Suko seinen Fuß vorstellte und die Tür somit stoppte.
»Nicht so hastig, Meister.«
»He, was bildest du dir ein, Chinese! Ich bin hier der Herr im Haus, verstanden?«
»Dagegen hat auch keiner was«, erwiderte Suko und drückte die Tür nach innen.
Water konnte nichts dagegen tun. Auch er mußte zurück, so daß Suko und Susan das Haus betreten konnten.
Charly Water war bis gegen die Wand gefallen. Dort stand er und schaute auf den Inspektor und seine Tochter, die als letzte die Tür wieder hinter sich schloß. Als Suko ihn ansah, senkte er zuerst seinen Blick und drehte den Kopf Susan zu. »Was wollt ihr überhaupt?« regte er sich auf. »Verflixt, laßt mich doch in Ruhe. Ich will hier nicht gestört werden.« Seine Stimme klang schwer. Der Alkohol hielt ihn bereits in seinen unsichtbaren Fesseln, und aus der Tasche seines grauen Kittels schaute der Hals einer Brandyflasche.
»Dad, wir wollen nur mit dir reden.«
»Da gibt es nichts.«
»Doch, Daddy. Stell dich doch nicht so an. Laß uns miteinander sprechen.«
Charly Water grinste und schluckte gleichzeitig. Wobei letzteres mehr ein Rülpsen war. »Wenn ihr meint, an mir soll's nicht liegen. Ich kann euch aber nur in mein Arbeitszimmer führen.«
»Tun Sie das«, sagte Suko.
Water schielte den Inspektor an. »Haben Sie keine Angst vor Leichen?« murmelte er.
»Nein, wieso?«
Water lachte kichernd und zog die Flasche aus der Tasche. Er kam nicht dazu, sie zu öffnen, denn Susan war schneller. Mit einem Griff hatte sie ihm die Bottle aus der Hand gezogen.
»Es wird jetzt nichts getrunken«, beschwerte sie sich.
»He, ich…« Er wollte nach der Flasche greifen. Susan war schneller und drehte ab. Water faßte ins Leere. Er hatte zuviel Schwung und wäre fast gefallen. Suko hielt ihn fest.
»Reißen Sie sich zusammen!« fuhr er den Leichenwäscher an.
»Verdammt noch mal.«
Betrunkene sind zumeist stur. Darin machte auch der Leichenwäscher keine Ausnahme. »He, du!« beschwerte er sich. »Verdammt, ich glaube, es hackt. Was bildest du Chink dir überhaupt ein? Kommst hierher und hast die große Schnauze…«
Jetzt wurde es Susan zu bunt. Suko wunderte sich, wie energisch sie auf einmal werden konnte. »Dieser Chink, wie du ihn immer titulierst, ist Inspektor bei Scotland Yard. Ein Polizist, also. Ich an deiner Stelle würde mal etwas höflicher sein.«
»Ach, ein Bulle.« Water verzog das Gesicht. Es sah so aus, als wollte er anfangen zu weinen.
»Gehen wir«, sagte Suko und schob den Mann in den Gang hinein.
Water hielt sich nur schlecht auf den Beinen. Er hatte einen rollenden breiten Gang, berührte ein paarmal die Wand, erreichte jedoch gehenden Fußes die Arbeitsstelle, das heißt, den Raum, wo er Leichen wusch, bevor sie in den Sarg kamen.
Ein Toter lag
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