0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel
des Drachen, als bestünde diese nur aus Pappe. Und sie hinterließ in dem Körper eine dicke, klaffende Wunde, aus der eine träge Flüssigkeit quoll. Das Blut des Drachen!
Es schmerzte.
Ein Urvieh brüllte verzweifelt. Marita erlebte das Chaos. Der Drache drehte durch. Er wußte nicht, wo sich der Feind befand, während Kara schon einen zweiten Streich mit ihrem Schwert führte und den linken Flügel des Drachen kappte.
Mit einem einzigen Streich trennte sie diese immense Schwinge vom Körper des Monstrums und verletzte den Drachen damit sehr schwer. Er besaß jetzt nur noch einen Flügel. Es war der rechte, und mit ihm wollte er seine Gegnerin erwischen.
Abermals schaufelte er gewaltige Mengen an Sand heran. Er brachte auch Steine mit, und Marita, die Gefangene, tat instinktiv das Richtige.
Sie drehte dem Untier den Rücken zu, so daß sie von diesen Sand- und Steinmengen zwar erfaßt, aber nicht verletzt wurde.
Sie bekam nichts mehr von dem Kampf mit und sah deshalb nicht, wie Kara dieses Untier präzise vernichtete.
Es gelang ihr immer wieder, den Schlägen zu entgehen, und plötzlich, als der Drache sich müde geschlagen hatte, da stand sie auf ihm.
Sie hatte sich selbst dorthin geschafft. Dank ihrer Kräfte war es ihr gelungen, und der Drache merkte es erst, als es zu spät für ihn war. Da stand Kara bereits zwischen den hochwachsenden Zinken des Halskamms und hielt den Griff des Schwerts mit beiden Händen fest.
Auf den letzten Schlag kam es an.
Sie legte sehr viel Kraft in diesen Hieb, denn er mußte die Entscheidung bringen. Als die Klinge nach unten huschte, hätte ein Beobachter das Gefühl haben können, für den Bruchteil einer Sekunde einen goldenen Schleier zu sehen.
Und als dieser Schleier verschwunden war, gab es auch den Schädel des Drachen nicht mehr.
Kara hatte ihn abgeschlagen!
Er war dort abgetrennt worden, wo der dritte hohe Kammzinken des Drachen begann, und er lag zuckend im Sand, wobei allmählich das Rot seiner Augen verlosch.
Das Ende des Drachen!
Kara hatte es geschafft.
Sie blieb neben dem Schädel stehen, schaute auf ihn hinab und fühlte so etwas wie Triumph in sich aufsteigen, denn sie hatte das geschafft, was die Gefangene nicht für möglich gehalten hätte. Etwas von dem Blut des Drachen rann wie zäher Schleim an der goldenen Klinge nach unten und tropfte in den Sand.
Kein Zucken mehr lief durch den Körper. Der Drache war erledigt und rührte sich nicht mehr.
Allmählich senkte sich auch der Staub. Im letzten Todeskampf hatte sich das Monstrum noch einmal wild und hektisch bewegt, durch seine Zuckungen wahre Berge von Sand und Staub hochgewirbelt, und der fiel wie ein Vorhang nach unten, so daß es der gefangenen Marita gelang, eine klarere Sicht zu bekommen.
Sie wollte es nicht glauben!
Wenn sie gekonnt hätte, dann hätte sie vielleicht vor Freude geschrien.
So drang kein Laut aus ihrer Kehle. Sie war rauh und kratzig, saß einfach zu, denn der feine Sand hatte seinen Weg überall hingefunden.
Zwischen ihr und dem Strand lag der Koloß. Abgetrennt die Flügel oder Schwingen, abgetrennt auch der Schädel und erloschen die roten Augen.
Und neben dem Schädel stand die Siegerin.
Eine schwarzhaarige Frau. Mit schmalem Gesicht, keinem muskulösen Körper, wie ihn der getötete Kämpfer aufgewiesen hatte, eher zerbrechlich, aber von einer Kraft beseelt, wie sie Marita noch nie erlebt hatte. In der rechten Hand hielt Kara das Schwert. Die Klinge zeigte nach unten, wobei die Spitze durch den Sand schleifte und dort eine Spur hinterließ.
Marita war diese Frau unheimlich. Sie fürchtete sich plötzlich vor ihr und wußte selbst nicht, aus welchem Grund. Es war halt so, denn in ihren Augen hatte Kara etwas Unwahrscheinliches geleistet.
Kara konnte sich sehr gut in die Lage der Gefangenen hineinversetzen.
Auch ihr wäre vielleicht seltsam zumute gewesen, hätte sie dasselbe erlebt. Deshalb zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen, um Marita zu beruhigen.
»Es ist alles vorbei«, sagte Kara mit einer volltönenden Stimme, die gleichzeitig beruhigend wirkte. »Sie haben nichts mehr zu befürchten, Marita.«
Das Mädchen war überrascht. »Sie…Sie kennen meinen Namen?«
»Ja.«
»Woher?«
Kara behielt das Lächeln bei. »Sagen wir mal so. Er ist mir zugeflogen.«
»Das kann ich nicht glauben.«
»Nimm es hin.« Kara hob ihr Schwert, und sie sah, wie Marita zurückzuckte, denn die Klinge befand sich nur eine Armlänge vom Gesicht der Zigeunerin
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