0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel
entfernt.
»Keine Sorge«, sagte Kara und durchtrennte mit einem Schlag dieser Wunderwaffe die Eisenkette.
Plötzlich war Marita frei. Sie konnte sich nicht auf den Beinen halten und brach zusammen. Kara reagierte blitzschnell. Sie fing das Mädchen auf, legte es in den Sand und räumte dabei noch ein paar bleiche Schädel zur Seite.
Danach zerstörte sie auch die Fußfesseln, und Marita war seit langer Zeit wieder frei.
Sie weinte vor Glück und vielleicht auch vor Erschöpfung. Kara ließ sie vorerst in Ruhe. Wie ein Denkmal stand sie neben ihr und schaute über die Insel, soweit es die landschaftlichen Gegebenheiten zuließen.
Kara wußte genau, daß es noch nicht zu Ende war. So ohne weiteres konnte sie die Insel nicht verlassen, denn sie hatte noch etwas zu tun.
Kara dachte an den geistigen Kontakt, den sie mit Myxin gehabt hatte, und er hatte ihr noch einen Auftrag mitgegeben.
Sie sollte etwas besorgen.
Die Tafeln!
Zwei Steintafeln mußten es sein. Wichtiges Schrifttum, das unbedingt in Myxins und Karas Hände fallen mußte, denn damit konnten sie viel anfangen.
Myxin und Kara suchten noch immer nach einem Mittel gegen den Todesnebel. Die Schrift auf diesen Tafeln wies ihnen den Weg.
Als sie zum Meer schaute, da sah sie, daß sie nicht mehr allzuviel Zeit besaßen. Die Wellen rollten zwar nach wie vor gegen den Strand, aber sie bewegten sich weiter als noch vor Minuten, und sie erfaßten bereits den Kadaver des Drachen.
Kara wußte, was das zu bedeuten hatte.
Die Insel versank.
Sedonis entstieg, und so hatte es ein alter Zauber gewollt, nur dem Meer, wenn die Gestirne in einer besonderen Konstellation zueinander standen.
Für eine bestimmte Zeit war Sedonis zu sehen, bis sich die Konstellation wieder geändert hatte und die Magie freigab. Dann verschwand die Insel allmählich.
Dieser Zeitpunkt war angebrochen. Unmerklich war sie schon tiefer gesackt, so daß sich die anrollenden Wellen weiter auf dem Strand ausbreiten konnten.
Kara bückte sich. Sie hätte Marita noch gern Zeit gegeben, sich weiter auszuruhen, doch die Umstände zwangen sie, sich jetzt auf den Weg zu machen, denn die Steintafeln mußten unbedingt gefunden werden.
Marita spürte die Berührung mit der Hand an ihrer Schulter und drehte den Kopf.
Kara lächelte sie an. »Komm mit«, sagte sie. »Wir können hier nicht bleiben.«
»Nein«, sagte Marita. »Wie kommen wir hier weg?«
»Laß das nur meine Sorge sein«, erklärte Kara und half dem jungen Zigeunermädchen auf die Beine.
Marita war schwach. Sie wollte die Schwäche nicht zugeben, stöhnte auch nicht, doch ihr Gesichtsausdruck sagte genug. Das Laufen fiel ihr schwer.
Kara stützte sie. Mit Kara zusammen schlug sie den Weg zum Hügel ein.
Sie mußten diese Streckte überwinden, was nicht einfach war, denn der Weg führte bergauf, und die Füße des jungen Zigeunermädchens wollten nicht so, wie sie es gern gehabt hätte: Kara machte ihr Mut. »Bald haben wir es geschafft«, sagte sie. »Noch ein paar Schritte.«
»Ich…Ich bin so schwach.« Marita brach fast zusammen. Den Kopf ließ sie hängen, der Atem ging schwer. Jeder Schritt kostete sie ungeheure Anstrengungen.
So kämpften sie sich hoch.
Zwei einsame Frauen, die ein schweres Schicksal zusammengeschweißt hatte. Und sie schafften es.
Als sie dann an der Stelle standen, wo Marita Kara zuerst gesehen hatte, besaßen sie einen ausgezeichneten Ausblick auf die Insel. Sie schauten jetzt zur anderen Seite hin, stemmten sich gegen den Wind und sahen beide, daß die Insel nicht nur von Sand bedeckt war.
Zuerst fielen die Bäume auf. Sie glichen dem, an den Marita gefesselt gewesen war. Stämme mit seltsamen Zweigen, die wie dicke Schlangen ineinander verknotet waren. Manche Bäume standen höher. Sie wuchsen auf hügelartigen Erhebungen, die jedoch nicht aus Erde, sondern aus Fels bestanden und an braune Höcker erinnerten.
Hinter den Bäumen konnten sie wieder auf das Meer schauen, dessen Wellen an der anderen Seite der Insel gegen den Strand rollten und sich im Sand verliefen.
»Wo befinden sich die Tafeln?« fragte Marita.
Kara war überrascht. »Du weißt von ihnen?«
»Ja, ich mußte zurückbleiben. Als Pfand. Azucena hat es mir erklärt. Sie haben die Vampir-Drillinge geholt, aber ihr Erbe ließen sie zurück.«
»Wahrscheinlich finden wir Tafeln dort, wo auch die Vampire gelegen haben.«
»Das ist dort.« Marita streckte den Arm aus und deutete zu einem Baum hin, der an Größe alle anderen
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