0256 - Der Höllen-Salamander
kommen, und Zufälle haben sich noch nie berechnen lassen.
Zamorra blätterte. Zurückgelehnt im weichen Ledersessel, überflog er die Neuigkeiten aus aller Welt und versuchte sich ein Bild zu machen. Er suchte nach Hinweisen, die auf das Zuschlagen dämonischer Wesen hin deuteten. Und plötzlich wurde er fündig.
Er pfiff durch die Zähne.
»Was hast du?« wollte Nicole wissen, seine Lebensgefährtin und Sekretärin.
»Schau dir das an«, sagte Zamorra und breitete die Zeitung über Brot, Butter und Frühstücksmarmelade aus. Mit der Handkante strich er sie glatt und butterte die Zeitungsrückseite gründlich. Nicole schüttelte den Kopf. »Chef, du bist unmöglich!« sagte sie.
Wenn sie »Chef« sagte, wurde die Sache höchst dienstlich.
»Da!« sagte Zamorra, um allem zuvorzukommen und stach mit dem Finger fast ein Loch in den unscheinbar kleinen Artikel. »Lies selbst.«
»Du verlangst ziemlich viel von mir«, murmelte Nicole Duval, beugte sich vor und überflog den Text. Ein kurzer Einspalter mit kleiner Schlagzeile. Im Loire-Tal sollte ein Drache erschienen sein und wie weiland Fafner in der Siegfried-Geschichte Feuer gespieen haben. Zwei Häuser zerstört, einige Tote. Einer der Zeugen des Geschehens, der hatte fliehen können, berichtete einem Reporter davon, der seinen Artikel daraus machte. Die Ermittlungen der Polizei hingegen sollten lediglich ungeklärte Brandstiftungen und Todesopfer bei den Löscharbeiten ergeben haben. Ein Foto gab es nicht.
»Jean Frere heißt dieser Zeuge also«, murmelte Nicole nachdenklich. »Sag mal, Zamorra, kennen wir den Namen nicht? Jean Frere …«
»Wir kennen ihn«, sagte Zamorra grimmig. »Hast du nicht gelesen, wo sich das abgespielt hat? Direkt vor unserer Haustür!«
Nicole schluckte.
Bevor sie etwas erwidern konnte, klopfte es heftig an der Tür. Stephan Möbius, der normalerweise die obere Etage bewohnte und die untere dem »Jungvolk« überließ, polterte herein, ein zweites Exemplar der besagten Zeitung in der Hand und säuberlich gefaltet.
»Guten Morgen allerseits … schon gelesen, den Humbug hier?« fragte er und hielt Zamorra den Artikel entgegen. »Da hat sich wohl wieder einer was aus den Fingern gesogen … aber interessant, daß die Meldung ihren Weg so schnell bis hier nach merry old England gemacht hat.«
»Aus den Fingern gesogen …?« echote Nicole langsam.
Möbius winkte ab. »Natürlich! Ist doch nichts dran … reine Fantasie eines leicht übergeschnappten. Ich dachte nur, es wäre vielleicht von Interesse, weil es doch irgendwo im Loire-Tal passiert sein soll.«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Nicht nur irgendwo … direkt bei Château Montagne, Stephan. Trinkst du einen Kaffee mit?«
Das Gesicht des alten Mannes erhellte sich. »Mit größtem Vergnügen. Euren Kaffee kann man wenigstens trinken, den, den die Engländer zusammenkochen, dagegen nicht.«
»Weil sie das selbst am besten wissen, trinken sie ja auch vorzugsweise Tee«, murmelte Nicole. Sie sprang auf, besorgte eine dritte Tasse und schenkte ein.
»Direkt bei euch«, brummte Möbius, den Faden wieder aufgreifend. »Dann könnte ja doch etwas dran sein an der Story! Ich tippe auf Leonardo.«
»Hundert Punkte«, sagte Zamorra. »Wir werden uns darum kümmern müssen.«
Nicole sah ihn an. »Wir? Jetzt?«
»Du bist ganz schön waghalsig, Zamorra«, sagte Möbius. »Wochenlang brütest du, wie du Leonardo beikommen kannst, verwirfst jeden Plan, weil er dir zu riskant ist, und jetzt willst du dich spontan in die Höhle des Löwen begeben? Oder hast du inzwischen die Patentlösung gefunden?«
Der Parapsychologe schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Aber ich kann es nicht zulassen, daß dieser Drache, oder was immer er sein mag, dort unten sein Unwesen treibt. Ich muß ihn ausschalten.«
Möbius sah ihn schweigend an. Nicole ließ sich in einen der Sessel fallen und strich sich nervös durchs Haar.
»Das kann tödlich enden«, sagte sie leise. »Leonardo sucht uns. Und wenn er uns erwischt, wird es keine zweite Flucht geben.«
Zamorra zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Ich weiß es doch«, sagte er. »Trotzdem kann ich ihn doch nicht gewähren lassen.«
»Du hast gegen Leonardo keine Chance«, brummte Möbius. »Das hast du vor ein paar Tagen selbst noch gesagt.«
»Aber vielleicht gegen diese Feuerechse«, sagte Zamorra. »Ich muß hin. Verstehst du das nicht?«
Stephan Möbius hob die Brauen.
»Ich telefoniere nach Paris. Unsere Filialen in
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