0256 - Der Höllen-Salamander
Menschenleben spielten für ihn keine Rolle.
Eines Tages, dachte Jean Frere, wird er uns alle umgebracht haben. Was macht er dann?
Pascal Levitte klappte den Kipplauf des Gewehres auf und ließ zwei dicke Schrotpatronen in den Lauf gleiten.
»Willst du eine Großwildjagd veranstalten?« fragte Frere.
»Narr! Ich muß versuchen, das Vieh zu blenden«, stieß Pascal hervor. »Es ist nur noch halb so gefährlich, wenn es niemanden mehr sieht!«
Er schloß die Waffe und sprang auf die Straße hinaus, noch ehe Jean ihn zurückhalten konnte. Jean lief ihm nach, holte ihn aber nicht mehr ein. Pascal war sportlicher und schneller, und er wurde von dem gefährlichen Wahn getrieben, etwas tun zu müssen.
»Bleib hier, verdammt!« schrie Jean. »Ein verwundetes Raubtier wird nur noch wilder …«
Pascal Levitte antwortete nicht.
Drüben tauchte das riesige Ungeheuer wieder auf der Straße auf. Es watschelte mit seinen riesigen Säulenbeinen heran. Der mächtige Kopf pendelte suchend hin und her, die Zunge fuhr vor und zurück. Die Riesenechse mit Form und Zeichnung eines Feuersalamanders schien zu überlegen, was sie nun anstellen sollte.
»Fehlt nur noch, daß das Vieh Feuer speit wie der Drache in der Sage«, murmelte Jean Frere.
Er hätte es nicht sagen sollen!
Der Höllen-Salamander spie Feuer!
Er riß das Maul auf, und eine Flammenlohe schoß daraus hervor, setzte eines der Hausdächer in Brand. Dann bewegte sich das Untier wieder vorwärts und dabei direkt auf Pascal Levitte zu.
Pascal stand breitbeinig mitten auf der Straße und zielte.
Der Schuß dröhnte, als der Höllen-Salamander den Kopf neigte. Der erste der beiden Läufe entlud sich. Die Schrotladung jagte dem Ungeheuer entgegen.
Es zuckte nicht einmal zusammen. Bei einer Kugel hätte Jean angenommen, sein Freund habe den Schuß verrissen. Aber Schrot trifft immer. Dennoch steckte das Monster den Schuß weg wie ein leises Lüftlein.
Jean lief auf Pascal zu. »Komm zurück! In Deckung!« schrie er.
Pascal schoß erneut.
Der Salamander riß das Maul auf. Wieder jagte eine Feuerwolke heran. Jean hörte Pascal gellend schreiend, konnte sich gerade noch mit einem weiten Sprung in Sicherheit bringen. Glühendheiß fauchte es an ihm vorbei. Das Ungeheuer stampfte mit seinen typischen Echsenbewegungen heran. »Pascal!« schrie Jean. »Pascal, wo bist du?«
Aber Pascal konnte nicht mehr antworten, und in Feuer und Rauch sah Jean ihn nicht. Er hörte das Stampfen, fühlte den Boden zittern und rannte davon.
Irgendwann stoppte er, fuhr herum. Er befand sich bereits in den Feldern draußen hinter dem Dorf.
Der Höllensalamander … war fort!
Er war spurlos verschwunden. Jean konnte ihn nirgends mehr sehen. Er sah nur noch die Zerstörungen und das brennende Haus. Und er wußte, daß Pascal tot war.
Mit brennenden Augen sah er zum Dorf hinüber.
Welche Hölle hatte dieses Ungeheuer ausgespien?
Oben über dem Dorf erhob sich Château Montagne. Das Zentrum des Bösen.
»Professor Zamorra«, murmelte Jean Frere bitter. »Warum, zum Teufel, tust du nichts, um diesen Höllensohn Leonardo zu vernichten?«
Aber Zamorra war weit fort.
Geflohen – nach England …
***
In England, im Beaminster Cottage, schlug Zamorra am folgenden Morgen die Tageszeitung auf. Englisch sprach, verstand und las er fließend, so daß es ihm keine Schwierigkeiten bereitete, sich ständig auf dem neuesten Stand der Dinge zu halten.
Das rustikale Herrenhaus in der Grafschaft Dorset in Südengland war ziemlich international geworden; außer Zamorra und Nicole, die hier eine Fluchtburg gefunden hatten, wurde das Haus noch von seinem eigentlichen Besitzer bewohnt, Stephan Möbius, seines Zeichens Gründer und oberster Boß des internationalen Möbius-Konzerns. Der alte Möbius durfte es nicht wagen, das Cottage zu verlassen, wenn er nicht riskieren wollte, daß der Teufel sich seiner Seele bemächtigte. Schon aus diesem Grund unterstützte er Zamorras Kampf gegen die Dämonischen mit allen Mitteln, über die er verfügte – um Asmodis eins auszuwischen, der ihn mit einem Teufelspakt hereingelegt hatte. Zamorra indessen wußte selbst noch nicht so genau, ob und wie es möglich war, diesen drohenden Schatten über Stephan Möbius’ Schicksal zu löschen.
Stattdessen schmiedete er unablässig Pläne zur Rückgewinnung seines Châteaus, verwarf sie aber immer wieder. Keiner der Pläne versprach Erfolg. Leonardo war zu mächtig. Es mußte schon ein Glückszufall zu Hilfe
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