0256 - Der Zombie aus dem Kerkerschloß
Sie nur nicht, Sie hätten noch nichts von Juliana gehört, der letzten Frau dieses teuflischen Kurfürsten?«
Beide schüttelten wir die Köpfe.
Der Küster zog die Augen mißtrauisch zusammen »Und Sie wollen von der Stadtverwaltung kommen.«
»Das hat keiner behauptet«, antwortete Will.
Da lachte der Mann. »Ich glaube, Sie legen mir hier ein faules Ei ins Nest. Ich will sofort raus.«
Will zeigte ihm seinen Ausweis.
»Polizei«, flüsterte der Küster und hob die Schultern. »Na ja, das ist etwas anderes und mir auch recht.«
»Erzählen Sie, was mit dieser komischen Juliana los war«, forderte ich den Mann auf.
»Man sagt, und das stimmt sogar, daß der Kurfürst seine letzte Frau aus lauter Wut, weil er so alt geworden und sie noch so jung war, lebend eingeschlossen hat. In ein Verlies unter dem Schloß. Und der Gang wurde zugeschüttet. Außerdem hatte er ihr nie getraut, denn sie behielt eine blendende Schönheit, während die Menschen um sie herum immer älter wurden. Zum Schluß galt sie als Hexe. Und ihr Mann hat sie zusammen mit einem Spinnrad eingeschlossen, damit sie etwas zu tun hatte, wenn sie allmählich verhungerte. Das war es.«
Interessante Dinge, die wir da zu hören bekamen. Vor allem die Sache mit dem Spinnrad stieß uns auf. Ich dachte sofort an die Fäden, sah Wills Nicken und wußte Bescheid, daß er sich mit derselben Folgerung beschäftigte.
Diese Juliana schien doch nicht umgekommen zu sein, wenn man gedanklich mal vorgriff. War es vielleicht möglich, daß sie hier als Untote umhergeisterte und für die beiden schrecklichen Morde die Verantwortung trug? Wir mußten diese Überlegung auf jeden Fall in die Rechnung mit einbeziehen.
»Was sagen Sie jetzt?« fragte der Küster.
»Nichts«, erwiderte Will Mallmann trocken. »Wir steigen erst einmal aus und gehen zu Fuß.«
»Und dann?«
»Schauen wir uns das Kerkerschloß an.«
Da schüttelte der Küster den Kopf.
»Um Himmels willen, nur das nicht. Sind Sie denn lebensmüde?«
»Das nicht«, sagte ich, »aber Sie haben uns verständlicherweise neugierig gemacht.«
Der Küster wußte nicht, was er sagen sollte. Schließlich sagte er: »Mich kriegen keine zehn Pferde in den Bau.«
»Dann bleiben Sie doch im Wagen«, schlug ich vor.
»Da kann ich erfrieren.«
»Was wollen Sie nun?« fragte Will.
»Ich steige aus.« Es war abermals eine Quälerei, bis der Küster es geschafft hatte. Auf seinen Stock gestützt, blieb er stehen und schaute uns traurig an.
»Darin wollen wir mal«, sagte ich und begann damit, den Rest der Strecke zu überbrücken.
Wenn ich ehrlich war, so hatten mich die Worte des Küsters doch beunruhigt.
Dem Kommissar erging es nicht anders, das las ich an seinem Gesicht ab…
***
Mike Palm hatte sich nicht getäuscht. Das Lachen war sehr deutlich erklungen. Und es kam aus der Richtung, wo sie am gestrigen Tage den Gang vom Schutt befreit hatten.
Eine Gänsehaut rieselte über den Rücken des jungen Mannes. Mike atmete schneller, denn bei ihm war doch ein dumpfes Gefühl zurückgeblieben. Er hatte plötzlich Angst und empfand die Stille als besonders bedrückend.
Wer hatte da gelacht?
Eigentlich gab es für ihn nur eine Lösung. Katja oder Dirk mußten sich heimlich in das Schloß geschlichen haben, hatten sich versteckt und wollten ihn erschrecken. Wahrscheinlich waren sie zu Fuß den Hügel hochgekommen.
Ja, so mußte es sein. Und es machte sich immer besonders gut, wenn jemand solche Geräusche oder Töne innerhalb eines Gemäuers abgab, das als verflucht galt.
An Geister oder ähnliche Geschöpfe glaubte Mike Palm nicht. Er dachte zwar an die Worte des Küsters, der sie gestern besucht hatte, doch über die Warnungen konnte man nur lachen. Es waren Spinnereien eines alten Mannes.
Mike Palm entschloß sich, der Ursache des Gelächters auf den Grund zu gehen. Er wollte sich den Gang genau ansehen und auch das an seinem Ende liegende Verlies.
Um in den Keller zu gelangen, mußte er die Halle verlassen und zu einer ziemlich versteckt angebrachten Tür gehen, die sich im Festsaal befand.
Es war ein hallenartiger Raum, der genau neben dem lag, den die Studenten renovierten.
Eine Tür gab es nicht mehr, nur einen offenen Durchlaß. Auch im Festraum sah Mike kein Möbelstück mehr. Die Gemälde an den Wänden waren nur schwach zu erkennen. Sie allerdings zeigten Motive, die auf Sinnes- und Eßlust hin ausgerichtet waren.
Alles war orgienhaft und überschwenglich gezeichnet, wobei die weiblichen
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