0257 - Der Dreitöter
irgendeinem anderen Grund?"
„Er ist verhindert, Sir", sagte Horun. „Er bittet Sie, ihn zu entschuldigen. Er wird kommen, sobald er kann."
Vergebens überlegte Tratlo, was den Paddler davon abhalten konnte, in die Zentrale zu kommen.
„Was hält ihn auf?" fragte Tratlo den Sergeanten.
Horun vermied es, den Captain direkt anzublicken. „Er sitzt Modell", sagte er. Tratlo schien in seinem Sitz um einige Zentimeter kleiner zu werden, dann hieb er mit einer Faust auf die Armlehne, daß es krachte.
„Baroon?" heulte er auf. „Hat er keine anderen Gedanken im Kopf, als den Paddler zu porträtieren?"
„Er porträtiert ihn nicht, er modelliert ihn", verbesserte ihn Horun, „Was?" schrie Tratlo. Er sprang auf und stürmte aus der Zentrale. Mit ratlosem Gesichtsausdruck sah ihm Horun nach. Arl Tratlo erreichte in Rekordzeit die Mannschaftsmesse und riß die Tür auf. Seine schlimmsten Erwartungen wurden von dem Bild übertroffen, das sich seinen Augen bot.
Paddler Batins hockte wie versteinert auf einer Tischkante und blickte gegen die Decke. Fünf Meter von ihm entfernt machte sich Leutnant Kaarn Baroon an einem Batzen weichen Materials zu schaffen.
Baroons dürre Finger ließen von der Knetmasse ab. Er streckte seine Hände von sich, als befürchtete er, den Kittel zu beschmutzen, den er trug. Tratlo bekam jetzt Gelegenheit, das angefangene Kunstwerk zu betrachten. Nichts daran erinnerte auch nur entfernt an Batins.
„Hallo, Captain!" rief Baroon. „Es freut mich, daß Sie an meiner Arbeit Interesse zeigen."
Tratlo lief rot an und näherte sich der Knetmasse, um sie aus kürzerer Entfernung erneut zu inspizieren.
Je näher er jedoch kam, desto haltloser erschien ihm Vern Horuns Behauptung, daß Baroon den Paddler modelliere.
„Was soll das sein?" erkundigte sich Tratlo und deutete auf Baroons Arbeitsmaterial.
„Das sehen Sie doch", knurrte Baroon. „Ich modelliere Batins Kopf."
„Ha!" machte Tratlo. „Das soll Batins Kopf sein? Es sieht aus wie eine Riesenkartoffel."
Baroon zuckte zusammen und begann vor Zorn zu zittern.
„Es ist eine moderne Darstellung", sagte er. „Man muß etwas von Kunst verstehen, wenn man die Qualität dieser Arbeit beurteilen will."
Tratlo ergriff Batins Kopf und schmetterte ihn mit solcher Heftigkeit auf den Tisch, daß er auf einer Seite ganz flach wurde.
„Ich verstehe nichts von Kunst", schrie er. „Aber ich weiß, daß Batins Ihnen für dieses Ding nicht Modell sitzen muß."
„Sie haben kein Recht, sich um meine Privatangelegenheiten zu kümmern", krächzte der Genius von Reyan. „In meinen dienstfreien Stunden kann ich tausend Paddlerköpfe modellieren, wenn ich das Bedürfnis dazu verspüre."
In einer alptraumhaften Vision sah Capt ain Arl Tratlo in jeder Kabine einen von Baroon angefertigten Paddlerkopf auf dem Tisch stehen.
„Kommen Sie!" befahl er Batiks. „Die Korvette muß ihren Normalflug unterbrechen, damit wir uns neu orientieren können. Dazu werden Sie benötigt," Batins lächelte freundlich und kletterte vom Tisch.
„Es tut mir leid, daß Ihre künstlerischen Bemühungen ein solches Ende fanden", sagte er zu Baroon.
„Mir auch", knurrte der Leutnant. Von Batins begleitet, verließ Arl Tratlo die Mannschaftsmesse.
*
Am achten Tag ihres Fluges war Captain Arl Tratlo endgültig davon überzeugt, daß auch der letzte Mann an Bord von seinem schlechten Verhältnis zu Kaarn Baroon wußte. Die beiden Offiziere sprachen nur das Notwendigste miteinander. Tratlo verrichtete eine Arbeit lieber selbst, bevor er Baroon deshalb ansprach.
Inzwischen hatten sie den Linearflug viermal unterbrochen, um sich neu zu orientieren. In spätestens zwei Tagen würden sie die äußerste Zone des verbotenen Gebietes erreicht haben.
Tratlo hätte gern gewußt, wie die Mannschaft über seine Differenzen mit dem Ersten Offizier der KI-33 dachte. Er spürte, daß die Besatzungsmitglieder ihn nach wie vor respektierten, aber er wurde das Gefühl nicht mehr los, daß sie sich hinter seinem Rücken verständnisinnig zulächelten. Aber das taten sie auch hinter Baroons Rücken.
Tratlo fand seine Theorie bestätigt, daß ein Streit zwischen Offizieren stets von den Mannschaften ausgenutzt wurde. Er spielte mit dem Gedanken, eine Aussprache mit Baroon herbeizuführen, doch die Furcht, daß dies von dem Reyaner als feiger Rückzug gewertet werden könnte, hielt ihn davor zurück.
So kam es, daß auch am achten Tag die Ablösung zwischen den beiden Offizieren
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