0258 - Der Raub der Broadway-Königin
verschwunden. Ich konnte ihn nirgends entdecken und fühlte, wie mir der Schweiß ausbrach. Plötzlich stand Phil neben mir.
»Wo ist er, Jerry?«
Ich fuhr herum. »Teufel, Phil, da fragst du mich zuviel.«
Ratlos sahen wir uns an. Phil war es, der auf einen Zeitungswagen losstürmte. Ich setzte ihm sofort nach. Wir sausten um den Karren herum und rannten den Jungen fast um. Phil drohte mir ärgerlich mit der Faust.
»Passen Sie doch gefälligst auf, Sie Nachtwächter«, brüllte er los.
»Excuse me, Sir!« beschwichtigte ich ihn. »Ich habe Sie mit jemand verwechselt.«
»All right«, murmelte er.
Wir machten Shakehand und gingen auseinander. An einer Säule blieb ich stehen und steckte mir eine Zigarette an. Gott sei Dank, der Junge hatte das Paket noch. Ich hatte mir schon große Sorgen gemacht, es könne inzwischen übergeben worden sein. Er hielt jetzt ein Heft mit Comic-Stripes in der Hand, das er sich wohl an dem Karren gekauft hatte. Darin blätternd kam er an mir vorbei. Ich schlenderte langsam hinterher.
Er verließ den Bahnhof und ging zur Subway-Station Pershing Square. Dort löste er eine Fahrkarte, um zu einer Vergnügungsreise zu starten. Phil hatte seinen Oldsmobile stehenlassen und sich ebenfalls zu Fuß auf die Verfolgung gemacht. Hoffentlich fielen wir dem Knirps nicht doch noch auf.
Wir mußten unzählige Male umsteigen und landeten schließlich auf dem Luna Park von Coney Island. Lachende Menschen, Rock-’n’-Roll-Musik und grelle Lichtreklamen und in dem ganzen Trubel der Junge mit 250 000 Dollar in den Händen.
Die Dunkelheit war längst hereingebrochen. Phil und ich blieben dem Knirps hart auf den Fersen, denn irgendwann mußte ja nun schließlich etwas passieren. Wir mochten etwa eine Stunde über den Vergnügungsplatz gebummelt sein, als der Junge die Richtung zur Sheepshead Bay einschlug. Hinter dem Sea Side Park bog er in den Ocean Parkway ein und blieb an der Bushaltestelle Brigthon Beach Avenue stehen.
Wir drückten uns in einen Hauseingang und warteten. Fünf Minuten später kam der Bus. Der Junge stieg ein, und wir ließen erst noch jemand zwischen ihn und uns, bevor wir folgten. Um diese Zeit waren nicht mehr viel Leute unterwegs. Ich las angeregt in einer Zeitung und verdeckte damit gleichzeitig Phils Gesicht Es ging bis zur Endstation Oriental Boulevard Ecke Oxford Street. Beim Aussteigen wechselten wir hinter dem Bus direkt zur anderen Straßenseite hinüber. Der Junge schien uns nicht zu bemerken. Er ging jetzt sehr schnell den Oriental Bouvelard entlang. Dabei hielt er sich dicht an einer Fabrikmauer.
Ich stieß meinen Freund an. »Phil, wir müssen jetzt auf Draht sein. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie den Jungen nach der Übergabe des Lösegeldes umbringen, damit er sie später nicht identifizieren kann.«
Phil nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit. Der Junge ist mir nämlich zu planlos durch die Stadt geirrt.«
»Ich weiß, was du sagen willst, Phil. Man rechnet mit der Möglichkeit, daß der Junge verfolgt wird. Darum sollte er bis zum Einbruch der Dunkelheit alle möglichen Umwege machen. Wir müssen also auch einkalkulieren, daß man uns einen heißen Empfang bereitet.«
»Genau das meine ich. Ist wohl besser, wenn wir darauf vorbereitet sind.«
Ich zeigte nach drüben. »Der Junge ist weg, Phil.«
Hier gab es nur vereinzelte Laternen, und so lag die Mauer in Dunkelheit gehüllt vor uns. Wir liefen rasch hinüber und entdeckten einen Mauerdurchbruch. Wie auf ein geheimes Kommando zogen wir unsere 38er Smith & Wesson Special aus der Schulterhalfter und entsicherten sie. Dann stiegen wir über einen Stapel zerbrochener Ziegelsteine hinweg und standen auf dem Fabrikgelände. Das fahle Mondlicht beleuchtete den Hof und ein verfallenes Gebäude. Von dem Jungen war nichts zu sehen, aber plötzlich hörten wir einen gellenden Schrei.
»Das war er!« schrie Phil und lief los.
Ich jagte sofort hinterher. Der Schrei war aus dem Schatten des Fabrikgebäudes gekommen. Als wir es erreichten, peitschten Schüsse auf. Sie kamen von rechts, wo ein Haufen leerer Fässer stand. Dicht an der Hauswand warfen wir uns zu Boden.
»Gib mir Feuerschutz«, rief ich Phil zu und sprang auf. In langen Sätzen jagte ich auf den Tonnenstapel zu, während Phil in die Luft schoß, um nicht irrtümlich den Jugen zu treffen. Unangefochten erreichte ich den Stapel und warf mich hin.
»Vorsicht, Jerry, die Fässer!« hörte ich Phils
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