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0259 - Ich stürmte den rollenden Sarg

0259 - Ich stürmte den rollenden Sarg

Titel: 0259 - Ich stürmte den rollenden Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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sämtlichen Poren sproß es hervor. In Sekundenschnelle wuchs es weiter, wurde dichter und dichter und bedeckte bereits die rechte Gesichtshälfte.
    Auch der Mund hatte sich verändert, ebenfalls der Arm. Aus dem Ärmel des Pullovers schaute keine Hand mehr hervor, sondern eine gefährliche Pranke. In einem regelrechten Anfall schleuderte sie den rechten Schuh von sich, der mit einem dröhnenden Geräusch gegen die Tür donnerte und dort abprallte.
    Sie schrie.
    Obwohl sie es nicht wollte, konnte sie die abgehackt klingenden Schreie nicht unterdrücken. Sie drangen aus ihrem Mund wie Trompetenstöße.
    Dazwischen waren ein Jaulen und Keuchen zu vernehmen und als Unterton ein gefährliches Knurren.
    Sie wälzte sich über den Boden, trampelte und schlug, so daß es wirkte, als wolle sie die Verwandlung stoppen.
    Das gelang ihr nicht.
    Der Fluch, der sie erfaßt hielt, traf sie mit aller Härte und Brutalität.
    Barbara Päuse konnte ihrem grausamen Schicksal nicht mehr entrinnen.
    Die Verwandlung zum Wertiger zog sie so in ihren Bann, daß sie nicht einmal merkte, wie der Zug allmählich an Tempo verlor. Er näherte sich Bremen.
    Durch die ersten Vororte rollte er bereits. Lichtreflexe drangen schwach durch die Milchglasscheibe der Toilette und fanden sich auf dem Körper der veränderten Frau wieder.
    Sie lag auf dem Rücken.
    Ihr Atem war zu einem kratzigen Röcheln geworden. Sie pumpte Luft aus. Das gelbe Auge des Wertigers leuchtete dabei wie ein Stern, während in dem anderen noch so etwas wie Furcht zu lesen war.
    Barbara Päuse hatte das Endstadium, der Verwandlung erreicht. Jetzt gab es vorläufig kein Zurück mehr. Sie mußte es durchstehen bis zum bitteren Ende.
    Der Zug bremste. Sie merkte das leichte Rucken, kümmerte sich aber nicht darum. Ihr war alles egal. Das Menschliche war praktisch ausgeschaltet worden.
    Barbara Päuse reagierte nur noch wie ein mordlüsternes Tier. Sie war auf Vernichtung programmiert.
    Der Halt!
    Es wurde heller in der Toilette. Türen öffneten sich. Eine Lautsprecherstimme meldete die Ankunft des Zugs und gab gleichzeitig Anschlußverbindungen bekannt.
    Stimmen erklangen.
    Und die machten Barbara Päuse munter. Es schienen zahlreiche Fahrgäste zuzusteigen. Sie hörte die Stimmen, vernahm die Tritte. Das Lachen einer Frau erklang, und jemand rüttelte sogar an der Klinke, bevor er rief: »Die Benutzung der Toilette ist auf den Bahnsteigen nicht erlaubt!«
    Der Wertiger erhob sich.
    Auf einmal wirkten seine Bewegungen nicht mehr ungelenk, sondern geschmeidig. Ein anderer stand vor der Tür.
    Die Bestie hörte die Stimmen. Das waren Menschen, und Menschen wollte sie haben.
    Sie schüttelte sich, als hätte man Wasser über sie gegossen. Die feinen Härchen des Fells bewegten sich dabei, als hätte jemand mit einer Hand darüber gestrichen.
    Noch hielt sie sich zurück. Sie wollte den Raum erst verlassen, wenn der Zug wieder anfuhr.
    Das geschah!
    Die Türen schlossen sich automatisch, die Lautsprecherstimme gab die Abfahrt bekannt. Sekunden der Ruhe und des Stillstands noch, dann ging es wieder los. Der Intercity setzte sich in Bewegung, um sein nächstes Ziel anzusteuern.
    Osnabrück!
    Barbara Päuse schüttelte sich. Wenn der Zug dort hielt, dann sollten einige Fahrgäste bereits nicht mehr unter den Lebenden weilen. Sie hatte vor, die Wagenschlange in eine Hölle zu verwandeln, und sie mußte als erstes die Verbindung zur Außenwelt trennen.
    Es gab in dem Zug auch ein Schreibbüro mit Telefonanschluß. Der sollte gekappt werden.
    Die Bestie hatte sich genau gemerkt, wo das Büro lag. Das war ihr erstes Ziel. Zwar konnte der Lokführer noch Verbindung mit anderen außenstehenden Stellen aufnehmen, doch bis er vom Zugführer informiert wurde, waren die Wagen schon in eine tobende Hölle verwandelt worden.
    Das Gesicht des Wertigers verzog sich auf eine seltsame Art und Weise, als die Bestie grinste. Es war die Vorfreude, und sie war sicher, daß alles klappen würde. Keiner ihrer Feinde konnte sie jetzt noch stoppen.
    Zudem befand sich niemand in der Nähe.
    Sie schloß auf.
    Als sie die Toilette verließ und in den Gang trat, fiel ihr der Vergleich mit einem rollenden Sarg ein.
    Ja, durch sie war dieser Intercity zu einem rollenden Sarg geworden, und sie war stolz darauf.
    Rasch schlüpfte sie in den anderen Wagen. Hier befand sich auch das Büro, und eine Schwierigkeit galt es zu überwinden. Wenn sie den Gang durchschritt, mußte sie auch an den Abteiltüren vorbei und

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