0259 - Messalinas Höllentrank
nach, Ursus! Kommst du, Carsten?«
Wie ein Jagdhund rannte Professor Zamorra durch die Gänge. Zielsicher fand er den Raum mit den Käfigen. Sein messerscharfer Verstand sagte ihm, daß nur ein aufgewecktes Mädchen wie Sandra Jamis sich auf diese Art befreien konnte.
»Und wo müssen wir sie jetzt suchen?« fragte Carsten Möbius, nachdem sie erkannt hatten, daß das Mädchen den Weg in die Freiheit gefunden hatte. Die großzügige Handbewegung Zamorras schloß halb Rom ein.
»Wir müssen dafür sorgen, daß wir besonders auffallen!« erklärte der Parapsychologe. »Damit uns Sandra erkennt und zu uns findet!«
»Dazu brauchen wir uns eigentlich gar nicht zu bemühen!« bemerkte Carsten Möbius bissig. »Wo Professor Zamorra auftaucht, ist das Abenteuer nicht weit!«
»Zurück zu meiner Weinschänke!« übernahm Ursus das Kommando. »So etwas soll man bei einem guten Trunk bereden!« Der Parapsychologe nickte. In diesem Falle hatte der Germane Recht. Und er hatte dem Feinschmecker Zamorra sogar einen excellenten Wein vorgesetzt. Zamorra wäre kein echter Franzose gewesen, wenn es ihn nicht gereizt hätte, auch die anderen Weine zu kosten.
Sie nahmen den Rückweg über das Forum Romanum. Professor Zamorra war fasziniert von den mächtigen Tempeln und den Basiliken, überragt von den imposanten Kaiserpalästen auf dem Palatin.
Eine Menschenansammlung fand sein Interesse. Hinter dem Tempel des Julius Cäsar rottete sich der Mob zusammen.
»Tod der Frevlerin!« hörte Zamorra vereinzelte Rufe.
»Eine Vestalin, die ihr Gelübde gebrochen hat!« erklärte Ursus. »Wir Germanen versenken solche Frauen im Moor. Hier werden sie lebendig eingemauert!«
»Das ist unmenschlich!« hauchte Carsten Möbius.
»… barbarisch!« echote Professor Zamorra.
»Da… sieh nur… sie ist noch so jung!« rief Möbius, als er sah, daß die zum Tode Verurteilte in einer offenen Sänfte festgebunden wurde. Todesangst verzerrte Valerias hübsches Gesicht.
Mit steinernen Mienen formierten sich hinter ihr die Hüterinnen des Vestaheiligtums zur Prozession. Neugierig sah sich Zamorra die Gesichter der Frauen an, die hier in klösterlicher Einsamkeit der Ehe entsagten. Da… dort… das Gesicht, halb unter einem Tuch verborgen. Aber das konnte… das durfte doch nicht sein.
»Da du noch unberührt bist, wirst du den Platz des Mädchens einnehmen, das unwürdig ist, über das heilige Herdfeuer des Römerreiches zu wachen!« erklärte die oberste Vestalin mit schneidender Stimme.
Nur Zamorra, der in der Nähe stand und auf die weiteren Worte achtete, vernahm die geflüsterte Bemerkung: »Sieh dir ihr Schicksal an. Wenn du versuchst, zu fliehen, erleidest du den gleichen Tod!«
Professor Zamorra wandte sich ab, um nicht erkannt zu werden. Denn es war hier unmöglich einzugreifen. Hätte ihn aber die neue Vestalin erkannt, wäre alles verloren gewesen.
Hinter den hohen Mauern im Hause der Vestalinnen war Sandra Jamis für sie fast unerreichbar geworden…
***
»Wir müssen das Mädchen befreien!« erklärte Carsten Möbius.
»Bist du lebensmüde?« fragte Ursus. »Eine Gruft, in die eine solche Vestalin eingeschlossen wird, bewachen Soldaten der Prätorianergarde. Wenn wir die überwältigen, sind wir Feinde des Kaisers. Das ist zu gefährlich!«
»Dann werde ich zum Cäsar gehen und ihn bitten, Gnade zu üben!« erklärte Zamorra. Heimlich jedoch gab er Carsten Möbius einen Wink. Der Junge verstand sofort. Unauffällig setzte er sich ab, während Zamorra und Ursus dem Tempel des Castor und Pollux zuschritten, der von Caligula zur Eingangshalle des Kaiserpalastes umfunktioniert worden war.
Ursus war als siegreicher Gladiator allen Palastsklaven bekannt.
»Dem Göttlichen ist unwohl!« erklärte der Nomenclator. »Er hat sich bereits zur Ruhe begeben und empfängt niemanden mehr!«
»Das bedeutet, daß er sich wieder mal überfressen hat und vom Wein nicht genug bekommen konnte!« sagte Ursus, der sich mit den Verhältnissen auf dem Palatin besser auskannte. »Nun, auch die Kaiserin kann eine Gnadenverfügung unterschreiben. Führt uns zur göttlichen Messalina!«
»Die Kaiserin ist…!« wollte der Sklave abwehren. Professor Zamorra schob ihm eine Hand voll seiner nachgemachten Sesterzen zu.
»Erkläre der Herrin, der Juwelenhändler aus der Tibervorstadt wolle seine Juwelen zeigen!« befahl der Parapsychologe. Der Sklave verstand vor allem die Sprache des Geldes. Kurze Zeit später war er zurück. Mit dienernden Bewegungen
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