0259 - Messalinas Höllentrank
der Angriffsreihe schon Geschiebe und Gedränge gab. Jeder wollte in der Nähe des Geldbeutels sein, wenn man den Jungen ansprang, um ihn in die Hand zu bekommen.
»Am Golde hängt - zum Golde drängt - doch alles!« murmelte Carsten Möbius, für den Goethes »Faust« die gleiche Entspannung bot wie für andere Menschen ein Kriminalroman.
Dann war der Augenblick der Entscheidung da. Im nächsten Moment mußten sich die ersten Hände in seiner Kleidung verkrallen.
Carsten Möbius stieß einen lauten Ruf aus. Seine rechte Hand griff in den Beutel und zog eine Handvoll goldglänzender Münzen hervor. Die Schmuckproduktionsabteilung des Möbius-Konzerns bürgte dafür, daß die nachgemachten Sesterzen völlig echt aussahen.
Mit weitem Schwung schleuderte Carsten die Sesterzen über die Köpfe der Menge hinweg. Befriedigt hörte er durch die Wutschreie der Angreifer, daß die Münzen hinter der Menge zu Boden klirrten. Schon ließ er den Rest Geld, der sich noch im Beutel befand, folgen.
Die Kalkulation des Millionenerben ging auf.
Niemand dachte mehr daran, hier einen nach römischem Recht straffällig gewordenen Menschen festzunehmen und dem Arm der Gerechtigkeit zuzuführen.
»Aureus! Aureus!« kamen immer wieder die Stimmen aus dem Gebrüll der Menge. »Aureus! - Goldstück!«
Mochte die Göttin Vesta den Frevler gefälligst selbst strafen, wenn ihr daran gelegen war. Hier lag das Geld auf der Straße.
Mit einer einzigen Münze dieser Art konnte man in Rom eine volle Woche recht ordentlich leben.
Angewidert sah Carsten Möbius, daß die Männer um die Beute zu streiten anfingen. Um jede Münze wurde gekämpft. Der Stärkere nahm dem Schwächeren die Goldstücke ab, die er aus dem Straßendreck gefischt hatte. Knüppel wurden geschwungen. Messer wurden gezogen. In diesen Tagen war das Leben eines Menschen nicht viel wert.
Im allgemeinen Durcheinander gelang es Carsten Möbius, sich still und heimlich zu verdrücken. Niemand beachtete ihn, als er sich an der tobenden und kämpfenden Menge vorbeischlich.
Schon wollte er erleichtert aufatmen, als er etwas verspürte, was ihn unangenehm zwischen den Schultern kitzelte. Und er kannte das Gefühl schon von einer Zeitreise nach Ägypten in die Zeit des Pharao Ramses II. [2]
So unangenehm konnte nur die Spitze eines Speeres kitzeln. Augenblicklich erstarrte in Carsten Möbius jede Bewegung.
Im selben Augenblick spürte er, wie man ihn von hinten ergriff und ihm die Hände auf dem Rücken zusammenband. Dann baute sich ein Zenturio der Prätorianergarde breitbeinig vor ihm auf.
»Ich verhafte dich im Namen des Cäsaren!« schnarrte seine Stimme. »Bete zu deinen Göttern, daß Messalina bei Laune ist. Denn in Abwesenheit des Kaisers Claudius führt sie das Regime. Vielleicht läßt sie dich am Leben… für gewisse Dienste… hehehe…!«
Carsten Möbius zuckte zusammen. Das konnte ja heiter werden. Er kannte Messalina aus der Zeit des Kaisers Caligula. Damals hatte er als Gladiator die Nacht vor seinem ersten Kampf mit ihr verbracht. Messalina hatte sich gar nicht mit ihm zufrieden gezeigt.
Wenn sie ihn erkannte, war es kaum anzunehmen, daß sie von ihm diese »gewissen Dienste« forderte.
»Und wenn die göttliche Augusta nun schlechter Laune ist?« fragte Möbius den Zenturio gespannt, während ihn die Prätorianer mit sich zerrten.
»Dann solltest du erst recht zu deinen Göttern beten, Fremder!« kam es kalt von den Lippen des Prätorianers. »Du solltest sie anflehen, daß sie dir einen leichten Tod gewähren. Denn Messalina kann in Bezug auf die Art einer Hinrichtung sehr einfallsreich sein…!«
***
Valeria schrie auf, als sie das wild verzerrte Gesicht des Mannes über sich sah. Eine Wolke stinkenden Atems quoll ihr entgegen.
»Sieh an! Ich flehte zu Venus, daß sie mir ein Mädchen für die Nacht senden sollte - und da ist es schon! Nun zier dich nicht, mein Täubchen. Es wird dir ganz gewiß gefallen!«
Valeria, die sich schon fast gerettet sah, erkannte ihr fürchterliches Schicksal. Verzweifelt kämpfte sie gegen die Kraft des Mannes an, der versuchte, ihr die Kleider vom Leibe zu reißen.
»Götter… Götter…!« murmelte es von ihren Lippen, während sie verzweifelt versuchte, den Gorillaarmen des Mannes zu entgehen.
»Sie sind aus Stein! Sie leben nicht -deine Götter!« klang in ihrem Inneren die Stimme des Carsten Möbius auf. Ja, die Götter Roms, zu denen sie bisher gerufen hatte, ließen ihre Dienerin schmählich im Stich. Sie
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