026 - Das Totenhaus der Lady Florence
haben Ihre Art, Probleme zu lösen, und ich habe meine eigene«,
erklärte Iwan Kunaritschew lächelnd. »Sie erlauben, dass ich mein Eigentum an
mich nehme?«
In Anbetracht der auf sie gerichteten Waffe wagte niemand, der
Selbstbedienung des Russen, der seine Sachen wieder an sich nahm,
entgegenzutreten.
Iwan wies darauf hin, dass er nicht an einer Eskalation interessiert sei
und gab auch eindeutig zu verstehen, dass er nichts mit den Dingen zu tun
hatte, derer Dortson ihn beschuldigte. Nicht er bedürfe des Polizeischutzes,
sondern der Gelehrte. Weitere Erklärungen mochte und konnte er nicht abgeben.
Der Fall, in den er geschlittert war, war zu frisch, als dass er es riskieren
konnte, dem Chef einer kleinen Polizeidienststelle Einblick in das Vorhaben zu
gewähren.
Er brauchte die Polizei nicht. Er musste dort wieder anfangen, wo er
aufgehört hatte: bei Reginald Dortson.
Iwan musste jedoch ein gewisses Maß in seiner Rolle als Bösewicht durchscheinen
lassen, um überzeugend zu wirken, dass er es ernst mit seiner entsicherten
Waffe meinte.
Er forderte die beiden Polizisten, die ihn hierhergebracht hatten, auf, im
Office zu bleiben, während Poul Waters von ihm den Auftrag erhielt, ihn unter
Waffengewalt nach draußen zu begleiten. Auf diese Weise musste Iwan
Kunaritschew das Revier durchqueren.
Niemand griff ein. Das Leben von Poul Waters stand auf dem Spiel. Iwan
Kunaritschew nahm Waters mit bis zur nächsten Straßenecke. Niemand aus dem
Revier folgte ihm. Auch das war zwischen Waters und den anderen besprochen. Und
sie hielten sich daran, weil sie hofften, damit das Leben von Waters zu
erhalten.
In der Seitenstraße angekommen, bedankte sich Iwan Kunaritschew bei Waters
für dessen Vernunft und steckte ihm zum Abschied eine Selbstgedrehte zu. »Zur
Analyse«, meinte er grinsend. »Damit Ihre Neugierde befriedigt wird. Sie können
das Stäbchen aber einfach auch nur rauchen, wie ich das tue. Es ist weder
Haschisch, noch sonst irgendeine andere Droge untergemischt.«
Mit der Zigarette in der Hand ließ er den verdutzten Waters stehen und
tauchte in der Dunkelheit der Straße unter, nahm an der nächsten Ecke ein Taxi
und nannte kurzentschlossen die Straße, in der Reginald Dortson wohnte.
Aber er ließ sich auf Umwegen dorthin bringen, beobachtete aus dem
fahrenden Auto seine Umgebung und die Wagen, die folgten. Er hatte das
Überraschungsmoment auf seiner Seite und vor allen Dingen einen Vorsprung.
Bis Poul Waters zum Revier zurückgelaufen war und seine Leute alarmiert
hatte, vergingen wertvolle Minuten, die Iwan zugute kamen.
Der Russe ließ sich wieder einige Häuser von Dortsons Wohnung entfernt
absetzen.
Aus zusammengekniffenen Augen nahm Iwan Kunaritschew schon aus der Ferne
wahr, dass vor dem Haus Dortsons etwas nicht stimmte.
Ein Polizeifahrzeug nach dem anderen stand davor.
An den gegenüberliegenden Häusern brannte hinter sämtlichen Fenstern Licht.
Menschen zeichneten sich wie Scherenschnitte an den geöffneten Fenstern ab.
Ein Krankenwagen kam vom anderen Ende der Straße heran. Die Türen flogen
auf, zwei Sanitäter stürzten nach draußen, nahmen von hinten eine Tragbahre
heraus und stürmten ins Haus.
»Warten Sie hier auf mich«, murmelte der Russe zu dem Taxifahrer und
steckte ihm eine Fünfpfund-Note zu. »Es kann sein, dass ich gleich wieder
zurück bin und dass ich Sie dann brauche. Sie können sich das gleiche
Scheinchen nochmal verdienen.«
»In Ordnung, Sir. Ich warte.« Der Mann knüllte den Schein zusammen und
steckte ihn tief in die kleine äußere Brusttasche seiner olivgrünen Cordjacke.
X-RAY-7 näherte sich dem Ort des Geschehens.
Der Russe fürchtete nicht, auf der Stelle erkannt zu werden. Es war kaum
anzunehmen, dass man in der Aufregung und dem Durcheinander auch diesen
Polizisten schon eine genaue Beschreibung von ihm gegeben hatte. Seine Flucht
und das, was hier im Haus passiert war, überschnitten sich. Iwan mischte sich
unter die Menschen, die in einer dichten Gruppe Fahrzeugkolonnen und
Hauseingang umstanden. Ein Bobby war ständig damit beschäftigt, die Neugierigen
zurückzudrängen. »So nehmen Sie doch Vernunft an«, bat er. »Gehen Sie nach
Hause! Hier gibt's nichts zu sehen.«
»Ich glaube doch«, murmelte eine ältliche Frau. »Oben hat's geballert. Ich
hab's deutlich gehört. Ich habe drüben am Fenster geguckt.«
»Geballert? Wo?« Der Russe wandte sich ihr zu.
»Da oben. Im dritten Stock. Ich hab' die Schüsse gehört.«
Die Haustür wurde
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