026 - Das Totenhaus der Lady Florence
Ende eines Weges
angekommen war, ohne ihn recht gegangen zu sein.
In der Dämmerung unten im Keller entstand Unruhe, Bewegung. Unwillkürlich
richtete Larry seine Waffe hinunter.
Aus der Dämmerung tauchten Gestalten auf. Sie wirkten fremd und
gespenstisch, wie Wesen aus einer anderen Welt, die sich langsam aus der
Düsternis schälten und von der Deckenlampe schließlich voll angestrahlt wurden.
Richard Burling und seine Tochter, Walt Donan und Mr. Raunsley, der Makler.
Die beiden letzteren waren hier eingetroffen und hatten den Schriftsteller und
seine Tochter von den Fesseln befreit. Und sie waren dabei auf das wahre
Geheimnis des Dodgenkeem-Hauses gestoßen.
Zwischen Walt Donan und Raunsley befand sich eine Frau. Sie schien steinalt
zu sein. Ihr Haar war grau und hing wirr in ihr Gesicht. Ihre Haut war von
zahllosen Runzeln und Falten übersät. Sie konnte sich kaum noch bewegen. Donan
und Raunsley stützten sie. Sie war verletzt und sehr geschwächt. Larry sah
zahlreiche Schnittwunden in ihrem Gesicht, als ob sie in Scherben gefallen sei.
Niemand brauchte ihm zu sagen, wem er in diesem Augenblick gegenüberstand.
Es war Lady Florence!
Nach einigen erklärenden Worten schaffte man die alte Dame des Hauses
hinauf in das Wohnzimmer und bettete sie auf einen Diwan. Sie war kaum in der
Lage zu sprechen. Und doch war sie nicht davon abzubringen zu reden. Sie
wollte, sie musste es!
»Der Mann neben dem Treppengeländer ist Mister Henderson, unser Anwalt«,
flüsterte sie mit brüchiger Stimme. Henderson war an den Folgen seiner
Verletzung gestorben, noch ehe er weitere Einzelheiten hatte preisgeben können.
Doch Lady Florence, die alle schweigend umstanden, gab einen lückenlosen,
manchmal von kleineren oder größeren Pausen unterbrochenen Bericht. »Henderson
war ein Verbrecher – wir merkten es zu spät! Wir – mein Mann und ich – glaubten
an seine Freundschaft.« Mit einem antiseptischen Mittel versuchten Beatrice
Burling und Miriam Brent die zahllosen Schnittwunden am Bluten zu hindern, doch
Lady Florence wehrte sich dagegen. »Lassen Sie das Blut! Es ist gut, wenn es
fließt. Die besonderen Eigenschaften, die meinen präparierten Blutkörperchen
anhaften, gehen an der Luft und am Licht verloren.« Sie atmete schwer. »Vor
zwei Jahren begann das Unheil. Henderson wusste von der Arbeit meines Mannes.
Da begann er uns zu erpressen. Er ahnte, dass mit der Erfindung der
Unsichtbarkeit für ihn ein ungeheurer Reichtum zu gewinnen sei. Meinem Mann war
es in Zusammenarbeit mit Yorkshere gelungen, das Licht, das normalerweise jeden
Körper sichtbar macht, wenn es darauf trifft, durch einen besonderen Vorgang
abzuschirmen. Es gelang ausschließlich bei organischen Stoffen. Tierversuche
zeigten, dass Ratten und Mäuse unsichtbar wurden, wenn sie zuvor in dem
Alpha-Kreisel, wie mein Mann die Bestrahlungsanlage in seinem Labor nannte,
behandelt wurden. Das Licht – so mein Mann – sei nur ein winziger Ausschnitt
aus der Vielzahl der elektromagnetischen Schwingungen. Wenn es gelang, diese
für das Auge sichtbaren Schwingungen abzufangen und aufzulösen, dann war der,
auf den dieses Licht traf, nicht mehr sichtbar. Das Prinzip war einfach. In
harter Arbeit fand mein Mann die physikalische Möglichkeit durch seinen
Alpha-Kreisel. Jeder Körper, der längere Zeit dieser übrigens nicht ganz
ungefährlichen Bestrahlung ausgesetzt war, konnte von keinem menschlichen Auge
mehr wahrgenommen werden. Henderson setzte uns unter Druck. Er wollte die
Erfindung nutzen. Er ahnte, was damit zu erreichen war, wenn er die Großmächte dafür
interessierte. Er sah die militärische Bedeutung vollkommen richtig. Ein Gegner
konnte eine feindliche Armee unbemerkt in ein Land einschleusen, Agenten
konnten eingeschmuggelt werden, ohne dass die Abwehr das bemerkte. Ich glaube,
Henderson hatte schon Kontakt zu Geheimdiensten aufgenommen und sie neugierig
gemacht.«
Larry Brent wurde sofort an seine Erlebnisse in Bristol bei Mady Stilon
erinnert. Zwei Geheimdienstleute, die auf der Suche nach Dodgenkeems Erfindung
waren!
Lady Florence seufzte. »Die Unsichtbarkeit hatte einen Nachteil: Durch die
Bestrahlung sammelte sich eine Art Kuppel um den Organismus. Ein
Hochspannungsfeld unsichtbaren Lichtes. Kein Laut drang von außen herein,
keiner nach außen. Man konnte sich nicht verständigen, und man musste aufpassen,
einen anderen Menschen, der nicht in dem Alpha-Kreisel bestrahlt worden war,
nicht zu berühren. Das hatte den sofortigen
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