026 - Der Doppelgänger
sich die größte Mühe mit dieser alten Vogelscheuche gegeben. Das einzige Interesse, das er überhaupt hatte, waren Briefmarken, und sie mußte diese ganz verdrehte Sache eingehend studieren. Dan hatte früher versprochen, ehrlich zu teilen - obendrein bin ich noch seine Freundin!«
Gordon rieb sich die Stirn.
»Ist er nicht Ihr - Ihr Mann?«
Sie wurde zornig.
»Was, das soll mein Mann sein?« fuhr sie ihn an. »Nun hören Sie aber mal zu. Ich bin eine anständige, verheiratete Frau, denken Sie stets daran, mein Junge! Ich bin schon seit zehn Jahren verheiratet. Ich habe eine hübsche, kleine Wohnung in New York und einen wirklich netten und lieben Mann.«
»In New York?« fragte er erstaunt.
Sie zögerte.
»Nun, er ist augenblicklich gerade nicht in New Yorker ist im Zuchthaus. Aber er ist vollkommen unschuldig, das weiß der Himmel. John konnte beweisen, daß er ein Schlafwandler ist, jawohl. Er ist es schon seit Jahren. Als ihn die Polizisten in Attonsmiths Juwelierladen faßten, wußte er überhaupt nicht, wie er dort hingekommen war. Er ist einer der besten Sänger im Männerchor des Sing-Sing-Gefängnisses, aber in einem Monat kommt er heraus. Dann gehe ich natürlich nach Hause zurück, um ihn zu begrüßen.«
»Aber er ist doch ein ganz gemeiner Dieb«, sagte Gordon.
Heloisens klassisch schönes Gesicht wurde dunkelrot.
»Sagen Sie einmal, woher haben Sie denn eigentlich den Mut, andere Leute so zu beleidigen? Ein Dieb! John ist kein Dieb! Er hatte nur furchtbares Pech bei seiner Arbeit. Und dann vergessen Sie nicht, er ist ein Schlafwandler! Wenn er wach ist und seine Gedanken beisammen hat, nimmt er nicht das geringste ohne Quittung. Nur manchmal in der Nacht kommt es über ihn. Nein, John ist ein Gentleman - obgleich er im Polizeipräsidium auf der Liste der besten Geldschrankknacker steht.«
»Dann ist er also ein Bankräuber?« sagte er verstehend. »Wie interessant! Und natürlich besucht er nur Banken, bei denen er kein Depot hat!«
»Selbstverständlich - das ist sein Beruf. Ich habe ihn früher begleitet, aber er fühlte sich beunruhigt und nervös, wenn ich dabei war. Deshalb habe ich dann auf eigene Faust gearbeitet, und so bin ich auch mit dem Doppelgänger zusammengekommen. Er ist zwar nicht gerade sehr ehrlich, aber er kann etwas. Das muß man ihm lassen. In seinem Fach ist er ungewöhnlich tüchtig. Er behandelt seine Partnerin stets wie eine Dame. Das ist aber auch das einzig Anziehende an ihm.«
Sie sprach von ihm, wie eine Schauspielerin etwa von einem Kollegen gesprochen hätte - ohne Ärger, ohne Neid.
Gordon hörte nun auf, mit den Fingern auf den Küchentisch zu trommeln und kehrte wieder zur Wirklichkeit zurück.
»Kommt denn nun der Doppelgänger hierher? In meiner Verkleidung? Läuft die ganze Sache darauf hinaus? Welch ein Idiot war ich doch! Und Sie waren der Lockvogel ... und alle unsere Unterhaltungen über seelische Probleme waren .«
»Unsinn!« fiel sie ihm ins Wort. »Es wäre schon an und für sich Unsinn gewesen. Alles derartige Gerede und Gewäsch ist Blech!«
»Aber - warum sind Sie denn überhaupt hierher ins Haus gekommen?«
»Weil ich mein Geld zurückhaben will - das Geld, das ich meiner Freundin vorgestreckt habe. Er wollte es mir nicht geben. Er log mir vor, daß er das Geld für den Scheck von Smith noch nicht habe. Er sagte, daß er selbst nichts habe, und dabei schwimmt er doch im Überfluß. Er war so auswattiert mit Banknoten, daß man ihn nicht anfassen konnte, ohne daß es raschelte. Als ich ihm sagte, daß ich nicht weiterarbeiten würde, bis er die alte Rechnung beglichen habe, sagte er, ich solle zum Teufel gehen, ich hätte kein Recht gehabt, meine Freundin auszuzahlen, und er würde die Sache auch ohne mich zu Ende bringen. Aber das wird ihm nicht gelingen!«
Gordon sah sie düster an.
»Warum sagen Sie mir denn das alles? Ist Ihnen nicht klar, daß Sie sich dadurch vollständig in meine Hand gegeben haben? Ich brauche nur die Polizei anzurufen, dann sitzen Sie fest!«
Sie war nicht im mindesten verwirrt.
»Mein Junge, Sie haben wirklich einen Verstand wie eine Fledermaus! Vergessen Sie alles, Onkel Artur!«
Ihre Worte trafen ihn wie Schläge. Onkel Artur! Es war ja alles hoffnungslos!
»Wie kann ich denn diesen Doppelgänger erkennen -wenn er kommt? Wann erwarten Sie ihn denn?«
Was sich auch immer ereignen sollte, er war fest entschlossen, den Plan des Doppelgängers zum Scheitern zu bringen.
»Warum wollen Sie denn das
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