026 - Ich jagte das rote Skelett
Kleidungsstück vom Kopf und schleuderte es hinter sich. Gierig fraßen die Flammen den Mantel auf.
Lilly war losgerannt.
Doch Arma wuchtete mit ihrer Zauberkraft die Tür zu, so daß Lilly Boyd nicht entkommen konnte. Verzweifelt rüttelte das Mädchen an der Klinke, doch wie hätte sie die magische Verriegelung sprengen sollen?
Mit furchtgeweiteten Augen drehte sie sich um.
Und Arma kam näher, immer näher!
***
Ich nahm das Tischtuch und deckte damit die Tote zu, damit wir diesen grausigen Anblick nicht mehr ertragen mußten. Warum?
fragte ich mich. Warum hat Arma das getan? Beabsichtigte sie, mordend durch die Stadt zu ziehen? William Landis war schwer gezeichnet. Der Schock, den er erlitten hatte, kam jetzt erst voll zur Geltung.
Ich fragte die Sullivans, was sich ereignet hatte.
Harley Sullivan, der sich noch am besten in der Gewalt hatte – auch er war aber bleich wie ein Laken –, berichtete: »Wir saßen hier gemütlich beisammen und tranken Wein. Da glaubte William plötzlich, ein Geräusch vernommen zu haben. Ich schlug ihm vor, nachzusehen, denn vergangene Woche wollten sich hier zwei Penner einnisten. Wir verließen die Hausmeisterwohnung, und William stellte fest, daß sich jemand mit einem Brecheisen oder etwas Ähnlichem an der Haustür zu schaffen gemacht hatte. Das Schloß war aufgebrochen. Wir nahmen an, daß der Kerl sich im Haus befand, und suchten ihn. Als wir damit im Keller begannen, fingen Nora und Myrna schrecklich zu schreien an. Wir machten sofort wieder kehrt, und William fand Nora dann hier…«
Er brach ab und schluckte trocken.
Ich wollte wissen, wo Myrna Sullivan gewesen war, als Nora ihr Leben verlor. In der Küche, sagte sie. Sie habe sich ein Glas Mineralwasser geholt, die Tür wäre hinter ihr zugefallen und nicht mehr zu öffnen gewesen. Erst William Landis konnte die Tür öffnen.
Nachdem alles vorbei gewesen war! Erst danach hatte Arma die Zauberkaft aufgehoben.
Sie hatte geschickt dafür gesorgt, daß sie mit Nora Landis allein war, als sie sie tötete. Warum hatte sie nur Nora umgebracht?
Warum hatte sie Myrna Sullivan verschont? Hatten die herannahenden Männer sie vertrieben? Das glaubte ich nicht. Arma hätte eine Möglichkeit gefunden, sich Landis und Sullivan vom Leib – besser: vom Skelett – zu halten.
Ich suchte nach Antworten auf die vielen Fragen, die mich beschäftigten.
Die Anwesenden wußten mittlerweile, wer ich war. Ich hatte mich auch ausgewiesen und ihnen gesagt, daß ich hinter einem glühenden Skelett her war. Vielleicht glaubten sie mir nicht. Vielleicht hielten sie mich für einen Irren. Ich weiß es nicht. Jedenfalls warfen sie mich nicht hinaus. Möglicherweise glaubten sie wenigstens einen Teil von dem, was ich sagte. Immerhin wies Nora Landis’
Gesicht schwere Verbrennungen auf.
Auf meine Frage, warum nur Nora Landis sterben mußte, und warum die Tote ihre Augen nicht mehr besaß, erhielt ich von unerwarteter Seite eine Antwort. Ich sah das Hochzeitsbild des Ehepaares Landis an der Wand hängen.
William Landis trug einen schwarzen Anzug, weißes Hemd, schwarze Schleife und ein weißes Stecktuch in der Brusttasche. Er strahlte so glücklich wie seine Frau, auf deren Kopf eine kleine weiße Krone saß und deren Gesicht von einem zarten weißen Schleier eingerahmt war. In der Hand hielt sie einen großen Strauß zartgelber Teerosen.
Das alles nahm ich in Sekundenschnelle wahr. Das Bild faszinierte mich, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund. Nora Landis sah mich nämlich mit Armas Augen an!
***
Armas Augen. Ich kannte sie nur zu gut. Zweimal hatte ich schon mit dieser gefährlichen Zauberin zu tun gehabt. Einmal war es in Protoc, der Welt der Pavian-Dämonen, gewesen. Damals hatten sie und ihr Freund Metal auf unserer Seite gestanden, weil wir gegen gemeinsame Feinde kämpften. [5]
Aber wir hatten gewußt, daß wir uns, wenn wir einander wieder begegneten, als Gegner gegenüberstehen würden.
Und genauso war es gekommen.
Beim zweitenmal hatten Metal und Arma alles darangesetzt, um Mr. Silver und mich fertigzumachen.
Ich hatte geglaubt, wir konnten wenigstens in Armas Fall den Spieß umdrehen, doch das stellte sich nun als Irrtum heraus, denn Arma lebte noch – und mordete!
Blitzschnell rief ich mir ins Gedächtnis, was uns Yuums Auge gezeigt hatte: ein glutrotes Skelett. Ohne Augen. Nora Landis hatte Augen, wie sie Arma besessen hatte. Ich versuchte den Gedankengang der Zauberin nachzuvollziehen und kam zu dem
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