0260 - Gespenster der Vergangenheit
uns in Ruhe niederlassen und Luft holen können, also in eines der leeren Gebäude irgendwo in der Umgebung. Auf die Burg der Franzosen werden sie zu allerletzt kommen. Wir sind dort sicherer als irgendwo sonst."
Emerich trat unwillkürlich einen Schritt zurück und musterte ihn verwundert. Rakal wußte, was er dachte. Er spürte das Mißtrauen, das den Deutschen erfüllte.
„Ich weiß", sagte er ruhig. „Ich kenne Ihren Einwand. Wie kommen Sie dazu, sich mit uns einzulassen, wo doch die Fremden hinter uns her sind und wir für Sie und Ihre Leute eine Gefahr und Belastung darstellen."
Emerich machte kein Hehl daraus, daß er genau das gedacht hatte.
„Ganz richtig", gab er zu. „Was bringt mir das ein?"
„Das will ich Ihnen sagen", antwortete Rakal. „Tronar und ich brauchen Ihre Hilfe. Ohne Sie und Ihre Männer sind wir so gut wie verloren. Gleichzeitig aber sind wir Ihre einzige Verbindung mit der Erde. Nur wenn es uns gelingt, an Bord der CREST zurückzukehren, haben Sie noch eine Aussicht, jemals wieder auf die Erde zurückzukehren."
Mit vorsichtiger Berechnung gab er seiner Stimme einen scharfen, fast befehlenden Klang. Emerich mußte mitmachen, denn nur der Panzer würde ihnen Zutritt zur Burg der Franzosen verschaffen. Innerlich verfluchte er sich selbst wegen der Lüge, die er hatte aussprechen müssen; denn im Augenblick gab es nicht die geringste Möglichkeit, Emerich und seine Leute an Bord der CREST und in Sicherheit zu bringen. Und bis die Lage sich so weit entwickelt hatte, daß terranische Raumschiffe diesen Planeten ungehindert anfliegen und diejenigen seiner Bewohner, die zurück wollten, nach Terra bringen konnten, mochten Jahrhunderte vergehen.
Aber das Ausschlaggebende war im Augenblick, daß Emerich bei der Stange blieb - gleichgültig, auf welche Weise er dazu überredet wurde. Rakal wußte, daß er keine Aussicht hatte, ihn dazu zu zwingen.
Sein Inneres verkrampfte sich, während Emerich vor sich hin auf den Boden blickte und mit der Antwort zögerte. Schließlich sah er auf.
„In Ordnung", sagte er knapp. „Wir sind mit von der Partie."
Rakal verspürte den Drang, ihm um den Hals zu fallen.
*
Eine Stunde später war der restliche Treibstoff in den Tank des Panzers umgefüllt. Die letzten zwanzig Granaten, bislang auf den Ladepritschen der Lastwagen gelagert, verschwanden ebenfalls im Innern des mächtigen Fahrzeugs. Zwei Maschinengewehre wurden zusätzlich auf Turm und Heck des Panzers aufgebaut und von Emerichs Leuten bemannt. Der gesamte Aufbau des Fahrzeugs war mit Munitionskisten bedeckt. Emerich stellte drei weitere seiner Männer zur Panzerbesatzung ab. Der Rest, mit den Maschinengewehrschützen. Staunder und den beiden Brüdern insgesamt neun Mann, kauerte sich zwischen die Munitionskisten auf dem Aufbau. Rakal hatte für Bruchteile von Sekunden die entnervende Vision eines tollkühnen Franzosen, der irgendwo im Hinterhalt zurückgeblieben war und einen wohlgezielten Schuß in eine der Kisten setzte. Das wäre das Ende gewesen.
Unter Hannemanns Leitung setzte sich das Fahrzeug schließlich in Bewegung. Ratternd kroch es über die Kuppe des Hügels hinweg, senkte sich jenseits in das nächste flache Tal hinab, schob sich den nächsten Hügel hinauf ... und immer so weiter, bis Rakal, den das ungewohnte Getöse müde und teilnahmslos machte, die Übersicht über Zeit und Raum verlor.
Es war immer noch finster, als jemand ihn plötzlich kräftig an der Schulter zog, Er sah sich um und entdeckte Emerich, der oben hinter dem offenen Turmluk saß und wild mit den Armen fuchtelte. Müde kam Rakal auf die Beine und schaute voraus. Da sah er, was Emerich so erregte. Das hügelige Land war zu Ende. Unübersehbar weit dehnte sich vor ihnen eine grasbewachsene, von Büschen und Bäumen freie Ebene. Sozusagen als letztes Signum der geologischen Kräfte, die die endlosen Reihen von Hügeln aufgeworfen hatten, erhob sich einen Kilometer voraus eine einsame, isoliert stehende Kuppe.
Deutlich waren im Sternenlicht die Umrisse der Burg zu erkennen, die den Gipfel des einsamen Hügels krönte. Emerich beugte sich herab und schrie Rakal durch das Getöse der beiden Motoren hindurch ins Ohr: „Die französische Burg! Wir sind da!" Rakals Müdigkeit war wie weggescheucht. Aufmerksam beobachtete er das dunkle Gemäuer, während der Panzer sich rasch auf den isolierten Hügel zuschob und schließlich den schmalen Fahrweg zu erklimmen begann, der von der Basis der Kuppe aus in
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