0261 - Im Bann der Tiermenschen
eine Fluchtmöglichkeit nach draußen.
»Schnell!« rief er.
Er überholte den Doc nach den ersten Stufen und setzte sich an die Spitze.
»Verdammt, kein Licht«, fluchte er. »Zum Teufel, wo ist denn der Schalter. Paddy hatte ihn doch heute früh auf Anhieb gefunden!«
Aber der kannte sich auch aus hier unten.
Und er war ihnen auch bereits dicht auf den Fersen!
Als Zamorra sich kurz umblickte, sah er ihn oben am Rand der Treppe auftauchen.
Er hatte gründlich abgespeckt in seiner neuen Rolle als Säbelzahntiger, und dementsprechend hungrig klang auch sein drohendes Knurren…
Hinzu kam das asthmatische Pfeifen aus dem Mund des Does, der versuchte, mit Zamorra Schritt zu halten.
Das alles ließ den Meister des Übersinnlichen allmählich hochgradig nervös werden.
Und die Stufen, die nach unten führten, wollten gar nicht mehr aufhören. Mit jedem Schritt wurde es dunkler.
Aber hatten sie eine Wahl?
Zamorra umklammerte das Schwert mit schweißnasser Hand. Vor ihnen aus der Dunkelheit war ein berstender Knall zu hören, wie von einer mittelschweren Explosion.
Dann näherten sich ihnen soldatisch exakte, kraftvolle Schritte aus der Finsternis.
Bill! erkannte Zamorra wie betäubt. Oh, mein Gott…
Aus!
Hier endete der Weg.
»Bleiben Sie stehen, Doc«, forderte Zamorra seinen Begleiter auf. »Es hat keinen Sinn.«
Vor ihnen, aus der fast greifbar dichten Dunkelheit, tauchten zwei teuflisch glühende Augen auf…
***
Es geschah oben im Wohnzimmer.
Das Mädchen Cathy öffnete die Augen und setzte sich auf. Ihr Blick war seltsam klar und drückte extreme Entschlossenheit aus. Mit ruhigen, geschickten Bewegungen wickelte sie die noch kurz vorher vom Doc sorgsam angelegten Binden um ihre beiden Handgelenke ab und ließ sie achtlos zu Boden fallen.
Die Haut, das Fleisch, das darunter zum Vorschein kam, war völlig unversehrt und makellos. Von den beiden tiefen Schnitten, die sich Cathy selbst mit dem Messer zugefügt hatte, war keine Spur mehr zu erkennen. Narbenlos verheilt waren die beiden schweren Verletzungen. Verheilt in einer unmöglich kurzen Zeitspanne!
Das Mädchen benahm sich jedoch, als sei dies die normalste Sache der Welt. Kein Erstaunen, eher eine besondere Art von Gleichgültigkeit lag in ihrem Blick, als sie aufstand und versuchsweise ein paar Schritte nach vom unternahm.
Cathy hatte keine Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu wahren. Sie bewegte ihren jugendlichen Körper gezielt und geschmeidig wie immer, als hätte sie nie in tiefer Bewußtlosigkeit gelegen.
Sie blieb wieder stehen.
Von draußen, aus der Gaststube drangen wilde Geräusche zu ihr vor, die sie jedoch nicht kümmerten.
Sie konzentrierte sich auf etwas anderes.
Auf ihre Mutter.
»Ich bin bereit«, flüsterte sie und schickte gleichzeitig ihre Gedanken aus. »Du kannst mich holen, Mutter!«
Das Versteckspielen hatte ein Ende. Es war unsinnig geworden. In diesen Sekunden starb unten im Keller dieser Narr namens Zamorra, der es gewagt hatte, sich ihrer Rache in den Weg zu stellen. Der Doc würde ebenfalls den Dunklen Keim erhalten, und Paddy trug ihn bereits in sich. Es gab also keine Person mehr in der Witch’s Caverne, die man hätte hinters Licht führen müssen.
Cathy konnte heimkehren.
Endlich - nach all den langen Jahren…
Der versuchte Selbstmord war nichts anderes als ein geschicktes, wenn auch improvisiertes Mittel gewesen, um nach dem mißglückten Attentat in der Nacht den unmittelbaren Verdacht von Cathy abzuwenden und es so hinzustellen, als sei das Mädchen selbst nur ein Opfer der Lia Fail.
Diese Narren!
Prompt hatten sie den Köder geschluckt.
Und nun waren sie tot oder verwandelt, und in kürzester Zeit würde das gesamte Dorf unter dem Bann der Hexe stehen. Wer sollte sich dem noch in den Weg stellen?
»Mutter!« hauchte Cathy erneut. »Hol mich heim!«
Und da begann die Luft um das blasse Mädchen herum zu flimmern, als würde sie von einer unsichtbaren Flamme erhitzt.
Wie ein diffuser Nebel legte sich etwas um die schmächtige Gestalt.
Cathy spürte die lockenden, vertrauten Impulse des Druidensteines, der ihr beinahe so nahe stand wie ihre Mutter selbst.
Aber ehe sich die Konturen des Mädchens vollständig im Raum auflösten, geschah etwas, was Zamorra mit größtem Interesse beobachtet hätte, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre.
Kurz vor dem Verschwinden nahm Cathy nämlich noch eine völlig andere Gestalt an. Ein verheerender Alterungsprozeß überflog ihr Gesicht, ließ es
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