0262 - Belphégors Höllentunnel
daß diese fünf Menschen und deren Fahrzeuge nicht »normal« verschwunden waren. Weder von den Menschen noch den Wagen hatte man je wieder etwas gefunden, und da existierte auch noch die Zeugenaussage eines Hirten, der in der Nacht an einem bestimmten Tunnel etwas Schreckliches gesehen haben wollte.
Die Franzosen kannten uns. Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir in diesem Land schon mehrere Fälle gelöst, und an den verantwortlichen Stellen erinnerte man sich daran.
So waren wir also nach Frankreich geflogen, um der rätselhaften Sache auf den Grund zu gehen. Wir gerieten an einen Inspektor Tonio Brel, der uns zwar nicht gerade als Eindringlinge ansah, aber Engländer irgendwie nicht leiden konnte.
»Nichts gegen Sie persönlich«, gab er uns schon am Flughafen zu verstehen, »das stammt noch aus dem letzten Krieg, den ich leider mitmachen mußte.«
So hatte jeder seine Vorurteile. Vom Hotel aus waren wir direkt zum Tunnel gefahren.
Es war kühl in den Bergen. Zwar hatten wir schon Ende März, und erste Knospen waren aufgeplatzt, doch mehr in den Tallagen und nahe dem Meer. In den Bergen hing der Winter noch zäh und klebrig an einigen Stellen.
Brel hatte sich ein wenig von seinem Dienstwagen entfernt. Er stand einen Schritt weit auf der Straße. Polizisten hatten die Fahrbahn weiter talwärts schon gesperrt und an der anderen Seite ebenfalls.
Wir schauten uns den Inspektor an. Er sah zwar nicht gerade aus wie der leider viel zu früh verstorbene Louis de Funès, aber viel anders auch nicht.
Von der Größe her war Brel durchaus mit ihm zu vergleichen. Aber Brel hatte Übergewicht, dabei einen seltsam langen Kopf mit traurigen Mundwinkeln, blassen Augen und einer nach unten sich weitenden Nase, wobei die Nasenflügel ein wenig abstanden weswegen seine Untergebenen ihm den Spitznamen »Pferd« gegeben hatten. Sein Haar war dünn und faserig. Bei jedem Windstoß mußte er Angst haben, daß die letzten Reste auch wegfliegen würden.
»Das ist er also«, sagte Brel, als wir neben ihm stehenblieben.
Ich schaute auf die Öffnung. Sie sah völlig normal aus. Ein großer Halbkreis war aus dem Felsen geschlagen und an den Rändern durch Steine und Beton verstärkt worden.
Über der Einfahrt »wuchs« das normale Gestein. Es war kantig, zerklüftet, zeigte hervorspringende Nasen und Spalten, eine richtige Wand für Bergsteiger, die vor einem großen Klettermarsch im Hochgebirge noch einmal üben wollten.
Und dann sah ich noch etwas.
Auf der Spitze des Berges, hoch über der Tunnelöffnung, wo sich ein Sattel gebildet hatte, da entdeckte ich die Umrisse eines Gebäudes. Es mußte ein großes Haus sein. Wie ich wußte, gab es in den Bergen oft kleine Schlösser oder Landgüter, die dem internationalen Geldadel gehörten oder den Filmstars als Verstecke dienten, wenn sie vor Reportern ihre Ruhe haben wollten.
»Was ist das für ein Haus?« fragte ich.
Der Inspektor sah mich an und winkte ab: »Eine im Landhausstil aufgemotzte Luxusbude, die einem Filmstar gehört.«
»Wie heißt der Mann?«
»Gordon Kencey.«
»Der Horror-Darsteller?«
»Ja, glaube ich. Der spielt ja nur in diesen verrückten Filmen mit und mimt immer den Mörder. Ich habe noch keinen Streifen von ihm gesehen. Sie?«
»Ja, einen.«
»Und?«
Ich hob die Schultern. »Vom Sessel gerissen hat er mich nicht. War mir zu blutig.«
Der Inspektor lachte meckernd. »Das müssen Sie gerade sagen, wo Sie mit diesen Dingen ja zu tun haben.«
»Wir sind eben Menschen geblieben«, sagte Suko.
Brel hob die Schultern. »Mir gelingt das schwerlich.« Dann rammte er seine Hände in die Manteltaschen und schritt auf die Tunnelöffnung zu.
Wir folgten ihm.
Rechts und links der Öffnung standen zwei Uniformierte. Sie grüßten, als Brel vorbeischritt. Der Inspektor nickte nur und beugte seinen Rücken.
Als wir die Wächter passierten, fielen ihre Arme wieder nach unten. Wir hätten natürlich auch mit dem Wagen in den Tunnel hineinfahren können. Das allerdings war schwerlich durchzuführen, denn es standen innerhalb der Tunnelröhre einige Fahrzeuge der Polizei kreuz und quer, denn man war darangegangen, den Tunnel Meter für Meter genau zu untersuchen. Unter der Decke brannte zwar die Beleuchtung, zusätzlich jedoch waren noch starke Scheinwerfer aufgebaut worden, deren gleißende Helligkeit die dunkle Tunnelröhre in falsches Tageslicht verwandelte. Es blendete uns manchmal so stark, daß wir schützend die Hände vor die Augen halten mußten.
Auch
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