0262 - Non-Stop in die Ewigkeit
dieser Stunde verschlossen. Ich drückte den Klingelknopf und wartete.
Ein paar Minuten später öffnete Hugham Bolwer die Tür. Immer, zu welcher Stunde man auch läutete, es war immer der glatzköpfige Asylleiter, der öffnete. Nie war er im Schlafanzug oder Morgenrock, sondern immer mit seinem altmodischen, weiten Anzug bekleidet. Es schien, als schlafe er nie.
Er leuchtete mir ins Gesicht.
»Ah, du bist es, Kid«, sagte er mit seiner öligen Stimme. »Gut, geh hinunter in den Keller!«
Ich stieg die Treppe hinab und ging durch den Gang. Die Stahltür öffnete sich vor mir, und sie schloss sich, als ich den Raum betreten hatte.
Die Tramps schnarchten auf den Pritschen. Nur zwei von ihnen saßen an einem Tisch und spielten mit schmutzigen Karten. Sie beachteten mich nicht.
Ich warf mich auf eine freie Pritsche, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und wollte einschlafen. Ich war hundemüde von dem endlosen Weg, aber ich fand keinen Schlaf.
Ich fragte mich, wie dieses Unternehmen enden würde.
Es endete vierzehn Tage später, ziemlich genau drei Wochen seit jener Nacht, in der wir zum ersten Mal die Stimme des Bosses gehört hatten. Seitdem war diese Stimme nie wieder ertönt; aber jetzt ging plötzlich das Licht aus, das sonst Tag und Nacht in dem Kellerraum brannte.
Es war, als hätte die plötzliche Dunkelheit auch die Tramps geweckt, die schliefen. Ihr Schnarchen brach ab. Ich hörte, wie sie sich aufrichteten. Dann erfüllte die dröhnende, laute und doch körperlose Stimme des Bosses den Raum.
»Hier spricht der Boss. Ich bin zufrieden mit der Arbeit, die ihr geleistet habt. Die Arbeit ist beendet. Jeder von euch erhält zehn Dollar. Ihr könnt gehen! Und denkt daran, was ich von euch verlange! Schweigt nicht nur, sondern vergesst, was ihr getan habt! Wenn ich euch wieder brauche, werde ich euch rufen!«
Ich glaubte, ein Knacken zu hören, als würde ein Mikrofon ausgeschaltet. Das Licht leuchtete wieder auf.
Gleich darauf öffnete sich die Tür. Der Hinker kam herein. Jeder von uns erhielt einen Zehndollar-Schein, und jeder verließ den Keller, sobald er das Geld in Empfang genommen hatte. Ich war der Letzte in der Reihe.
Als ich meine Hand ausstreckte, schüttelte der Hinker den Kopf.
»Warte!«, sagte er.
Er blickte den Tramps nach, bis der Letzte die Kellertreppe hochgestolpert war. Dann wandte er sich wieder mir zu.
»Sie nennen dich Kid?«, fragte er. Seine Drillbohrer-Augen musterten mich. »Wie heißt du richtig?«
Für eine solche Frage hatte ich eine Geschichte parat, und ich verpasste sie ihm. Er schien mit ihr zufrieden zu sein, denn er stellte keine Fragen.
»Kannst du einen Wagen fahren?«
»Habe ich längere Zeit nicht mehr getan, aber ich glaube, ich kann’s noch.«
»Der Boss hat einen Job für dich. Komm heute Nachmittag um 5 Uhr!«
Ich nickte nur und verzichtete darauf, irgendetwas zu fragen. Der Hinker gab mir meinen Zehndollar-Schein. Ich ging, ohne mich umzudrehen, aber ich spürte seinen Blick auf meinem Rücken.
Draußen graute der Tag. Die Tramps hatten sich verlaufen. Weder Red noch der Blasse Louis noch irgendeiner der anderen wartete auf mich.
Ich beeilte mich, aus der Bowery herauszukommen. Sobald ich sicher zu sein glaubte, dass mich niemand beobachtete, schlüpfte ich in eine Telefonzelle.
Ich wählte Phils Nummer. Er meldete sich schlaftrunken.
»Hier ist Jerry! - Phil, ist irgendetwas mit Sandra Spent geschehen?«
Er wurde sofort hellwach.
»Nein«, antwortete er. »Jedenfalls nicht bis gestern Abend. Warum?«
»Der Boss hat die Tramps entlassen. Die Beobachtung des Mädchens ist eingestellt worden.«
»Ich werde sofort in der Sherwood-Villa anrufen.«
»Okay, ich rufe in zehn Minuten wieder bei dir an.«
Genau zehn Minuten später hatte ich Phil zum zweiten Mal an der Strippe.
»Ich sprach mit ihr«, sagte er. »Sie war ein wenig verwundert, dass ich sie so früh sprechen wollte. Es ist nichts passiert, Jerry. Gar nichts.«
»Aber es wird etwas geschehen, Phil, und ich fürchte, ich werde dabei eine Rolle zu spielen haben.«
***
Als ich am Nachmittag um fünf an der Tür des Asyls läutete, wusste ich noch nicht, wie diese Rolle aussehen würde, und es dauerte auch noch volle zwölf Stunden, bevor ich es erfuhr. Bolwer ließ mich ein. Er brachte mich in den Keller hinunter.
»Warte«, sagte er, ging wieder, und die Tür schloss sich.
Ich wartete, aber es geschah nichts. Ich war allein in dem Raum, der mit seiner kargen Einrichtung,
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