0263 - Das Syndikat der toten Seelen
geringer, daß wir Leutnant Matthew noch lebend finden können«, sagte ich düster. »Selbst den bei Matthew völlig unwahrscheinlichen Fall angenommen, daß er in der Nacht gebummelt haben könnte, daß er sich einen mörderischen Rausch antrank — spätestens um halb neun hätte er heute früh seine - Dienststelle angerufen und sich entschuldigt. Matthew ist nicht nur ein sehr pflichtbewußter Beamter, er will auch vorankommen. Er weiß verdammt genau, daß er es sich nicht erlauben kann, einfach am Morgen nicht zum Dienst zu kommen. Er hätte wenigstens angerufen. Da er es bis jetzt noch nicht getan hat, gibt es nur die Folgerung, daß er es nicht tun konnte. 'Nun, und dafür gibt es nicht viele Gründe.« Mr. High nickte. Er sagte entschlossen: »Dies ist ein Fall, der von euch beiden allein gar nicht mehr bewältigt werden kann. Aber bevor wir darüber entscheiden, möchte ich mir erst einmal euren Bericht anhören.«
Wir erzählten ihm alles, was wir bisher in Erfahrung gebracht hatten. Der Chef hörte sehr aufmerksam zu. Als wir fertig waren, faßte er zusammen: »Porten ist also angeblich an einem Herzschlag gestorben. Aber vor ihm sind in den letzten sechs Wochen zwei andere Leute, reiche Leute, unter fast den gleichen überraschenden Umständen gestorben. Ich habe die Auszüge aus dem Archiv angefordert. Hier sind sie. Lest sie euch durch! Ich glaube, wir sollten den Fall Porten noch lange nicht ruhen lassen. Selbst wenn er wirklich an einem Herzschlag gestorben wäre, erhebt sich immer noch die Frage, wie ein Toter ins Auto kommen und damit einen Unfall verursachen soll — anderthalb Stunden nach seinem Tod.«
»Das ist auch unsere Meinung, Chef«, nickte ich, »Was schlagen Sie vor?«
Mr. High schüttelte den Kopf.
»Ich schlage nichts vor. Ihr bearbeitet den Fall. Und ihr wißt, daß ich den Sachbearbeitern immer freie Hand lasse. Ihr müßt am besten wissen, was zu tun ist. Ich habe lediglich ein Angebot für euch: Wenn ihr es wollt, steht euch die Überwachungsabteilung zur Verfügung, und auch ein paar Mann Verstärkung aus dem Bereitschaftsdienst könnte ich euch überstellen lassen.«
Ich sah Phil fragend an. Wenn der Chef so etwas anbot, hatte es etwas zu bedeuten. Als ich wieder zu Mr. High blickte, lächelte er:
»Wir kennen uns wohl zu gut«, meinte er schmunzelnd, »als daß wir uns gegenseitig etwas vormachen könnten. Ihr habt erzählt, daß sowohl Porten als auch Matthew bei diesem Rusky alias Edwards gewesen sein könnten. Rusky aber tut schon seit Jahren nichts ohne Laine. Wieso sollte sich das auf einmal geändert haben? W?nn Rusky in der Sache drinsteckt, steckt auch Laine drin und umgekehrt. Von Laine aber wissen wir, daß sich in seiner Umgebung merkwürdige Dinge abspielen, die auf irgendwelche Veränderungen in der Unterwelt abzielen. Ich halte es deshalb für möglich, daß Rusky und Laine einen ganz großen Plan ausgeheckt haben. Deswegen habe ich euch das Angebot gemacht, euch Verstärkungen überstellen zu lassen. Meiner Meinung nach sollten wir jetzt alles einsetzen, was wir haben.«
»Dankbar angenommen, Chef«, nickte ich. »Auf diese Weise kommen wir auch schneller voran, als wenri Phil und ich alles selber machen müßte.«
Wir nahmen die beiden Auszüge aus dem Archiv und zogen uns in unser Office zurück. Wir setzten uns hinter unsere Schreibtische und nahmen uns erst einmal die beiden Archiv-Auskünfte vor. Phil studierte den einen, ich den anderen. Danach informierten wir uns wechselseitig.
»Mein Fall«, sagte ich: »William Draller, nicht vorbestraft, aber als zwielichtiger Geschäftsmann kleineren Formats bekannt, heiratete vor einem halben Jahr die Erbin vom Le-Troire-Stahlkonzern.« Ich unterbrach, um einen raschen Blick auf den Kalender zu werfen. Danach fuhr ich fort:
»Fast auf den Tag genau vor vier Wochen überschlägt sich der Sportwagen von Drallers millionenschwerer Frau, prallt gegen einen stählernen Laternenmast und rast anschließend noch in ein Schaufenster. Die Frau ist tot. Gesamterbe: William Draller.«
»Wir brauchen eigentlich nur die Namen und ein paar Kleinigkeiten' auszutauschen, dann haben wir meinen Fall«, entgegnete Phil und schlug mit der flachen Hand auf das Blatt Papier, das er gelesen hatte. »Howard Coldway, fast fünfzehn Jahre lang einer der berühmtesten Pianisten Amerikas, rast mit Seinem Wagen gegen einen geparkten Fünf-Tonner, überschlägt sich, kracht gegen eine Hauswand. Howard Coldway ist tot. Erbe eines
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