0263 - Wenn die Totengeister schreien
aber es war ein eigenartiger, echoloser Hall, der Nicole nicht gefiel. Etwas Geisterhaftes schwang darin mit.
Thomas Kyll war ein leichtsinniger Vogel! Wer sagte ihm denn, daß der Boden wirklich fest war, auf dem der Camaro stand?
Aber er war es. Thomas ging in die Hocke, betastete das Material. »Eigenartig«, sagte er. »Das Zeug ist feucht, und die Luft trocken…«
Nicole blieb im Wagen sitzen. Sie ahnte Unheil. Die Entführung mittels Magie war bestimmt nicht ohne Grund erfolgt. Es mußten sehr starke Kräfte am Werk sein, die so etwas zustande brachten - nicht einmal jeder Dämon schaffte das, höchstens die ganz starken aus den oberen Rängen der schwarzen Familie. Aber ob die sich gerade mit einer solchen Sache wie dem Fluch der schreienden Toten befaßten, war fraglich.
Es gab natürlich noch jemanden, der über derart riesige Kräfte verfügte: Leonardo de Montagne, unterstützt durch das Amulett, in dem sich die Kraft einer entarteten Sonne verbarg!
Leonardo kitzelte Fähigkeiten und Kräfte aus dem Amulett heraus, von denen Zamorra in seinen besten Tagen nicht einmal zu träumen gewagt hätte!
»Steigen Sie besser wieder ein, Mister Kyll«, sagte sie. Das grüne Glühen der Rundwand hatte sich jetzt fast völlig geschlossen. Es gab keine Öffnung, durch die der Camaro gekommen sein konnte. Es mußte also ein Weltentor in der Nähe sein oder eine Entstofflichung stattgefunden haben.
»Haben Sie etwa Angst, Sie mutiges Mädchen?« spöttelte Thomas Kyll.
Nicole verzichtete auf eine Antwort. Es hatte keinen Sinn, sich ständig mit diesem Burschen herumzustreiten.
Plötzlich fiel ihr auf, daß der Motor des Wagens nicht arbeitete. Aber die Zündung lief! Und als sie durch die Nebelwand rasten, waren sie in voller Fahrt gewesen… Irgend etwas, auf keinen Fall Thomas, hatte den Motor abgeschaltet…
Plötzlich bildete sich in einer der Wände eine Öffnung. Zugleich bewegten die Wände sich auf den Wagen zu. Thomas fiel es jetzt auch auf. Er fuhr herum, starrte sprachlos die Öffnung an.
»Steigen Sie ein, schnell!« rief Nicole. Sie hoffte, daß das Wageninnere halbwegs sicher war. Aber Thomas Kyll rührte sich nicht.
Da traten Gestalten aus der Öffnung. Sie schienen zu schweben und bewegten sich doppelt so schnell auf den Mittelpunkt der schwach erhellten Höhle zu wie die Wand. Nicole konnte nur mühsam einen erschrockenen Aufschrei unterdrücken.
Skelett-Krieger stürmten heran!
Leonardo deMontagnes furchtbare Armeen! Seine Söldner aus den Tiefen der Hölle, durch Asmodis’ Zauber zu einem unheiligen Scheinleben erweckt und nahezu unangreifbar! Nur, wenn man es schaffte, ihnen die Köpfe abzuschlagen, zerfielen sie zu Moder und Staub.
Die Rüstungen waren verschmutzt und verrottet, wie schon jene der Krieger auf Château Montagne. Ein Skelett-Krieger glich dem anderen; es gab nur ganz winzige, kaum erkennbare Unterschiede. Sie waren wie Roboter, und sie gingen genauso stur vor, wie ein Roboter seinem Programm folgt.
Thomas Kyll stand stumm und sprachlos da.
Aber er war nicht das Ziel der Skelette! Sie wollten Nicole! Die begriff. Der Wagen war entführt worden, weil sie sich darin befand. Das alles war eine riesige, fantastische Falle für das Zamorra-Team. Leonardo hatte sie aufgebaut, und es kam ihm dabei nicht darauf an, daß auch Unbeteiligte zu Schaden kamen.
Nicole rutschte hinter das Lenkrad, drehte den Zündschlüssel. Aber der Motor startete nicht. Wie sollte er auch? Er war ja immer noch blockiert!
Es gab kein Entkommen. Es gab nur eine Möglichkeit: den Angriff. Aber Nicole war unbewaffnet, und ob sie gegen die superstarken Skelett-Krieger ihre Karate-Kenntnisse anbringen konnte, war äußerst zweifelhaft.
Trotzdem stieg sie jetzt aus. »Thomas, versuchen Sie mit dem Wagen zu verschwinden, ich kann es nicht mehr… Sie wollen nur mich, und Sie läßt man vielleicht wieder frei…«
Er starrte sie an wie ein Gespenst, immer noch keiner Bewegung fähig.
Da waren die Krieger heran. Sie packten nach Nicole. Sie wirbelte herum, schlug und trat um sich, aber es half ihr nicht. Die magischen Skelette besaßen titanische Kräfte, und gegen die kam Nicole auch mit ihrer Schnelligkeit nicht an. Sie wurde gepackt und davongezerrt.
Auf die Öffnung in der grünen Wand zu, die jetzt schon ganz nahe war.
Das letzte, was sie sah, war Thomas Kyll, dessen Gesicht sich plötzlich verzerrte. Er schien zu schreien, aber kein Laut ertönte mehr. Er sank zusammen, und Nicole wußte, daß
Weitere Kostenlose Bücher