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0265 - In Brooklyn blüht der Galgenbaum

0265 - In Brooklyn blüht der Galgenbaum

Titel: 0265 - In Brooklyn blüht der Galgenbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: In Brooklyn blüht der Galgenbaum (3 of 3)
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setzte sich wieder hin. Wenn es seine Tochter war, wird er doch für eine richtige Beerdigung sorgen. Das tut man doch. Ganz selbstverständlich.
    Er irrte sich. Der Mann im Taxi wusste, dass er nicht wiederkommen würde. Er konnte es gar nicht. Er war ja selbst schuld am Tode seiner Tochter. Er konnte sich nicht noch einmal der Toten gegenüberstellen, ohne dass er seine Schuld hinausgeschrien hätte.
    Am Ziel angekommen, stieg er aus,bezahlte den Fahrer und schritt mit einer müden, abgespannten Haltung in die kleine Seitengasse hinein, die hinab zum Hudsonufer führte.
    Wie viele hundert U-Bahn-Züge mögen in Manhattan verkehren?, dachte der Mann. Ausgerechnet in diesem musste sie sein. Ausgerechnet. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung war es beinahe unmöglich gewesen, dass das passierte. Und nun war es geschehen. Gegen alle Wahrscheinlichkeit.
    Er hatte eine Bombe in einen U-Bahn-Zug gelegt, war ausgestiegen und hatte gewusst, dass der Zünder in zwölf Minuten die Explosion auslösen würde. Und dann würde aus der harmlos aussehenden Reisetasche in einem Gepäcknetz ein satanisches Werkzeug der Zerstörung werden.
    Wie hätte er denn wissen können, dass zwei Abteile weiter seine eigene Tochter im Zug saß und ahnungslos dahinfuhr. Dem sicheren Tod entgegen.
    Der Mann fuhr sich mit einer fahrigen Gebärde über die Stirn. Reiß dich zusammen, sagte er sich. Es hat so viele Ereignisse schon gegeben, die man nicht hatte voraussehen können. Es hatte schon damit angefangen, dass die Tochter von ihm nach New York nachgeschickt worden war. Freilich, dass man ihn kontrollieren würde, darüber war er sich von Anfang an klar gewesen. Seit er denken lernte, wusste er, dass jeder und überall und zu jeder Zeit kontrolliert wird. Das war nun einmal so. Es gehörte zu seinem Leben, weil er in einem solchen Leben auf gewachsen war. Aber dass sie ihm seine eigene Tochter als Kontrollorgan nachschickten, damit hatte er niemals gerechnet.
    Dabei war es verdammt schlau gemacht. Wenn jemand zuverlässig war, war es seine Tochter. Die war zuverlässig, wie er es in seiner fanatischen Zeit gewesen war. Wie eben junge, begeisterte Leute zuverlässig sind.
    Der Mann tappte langsam die schmale Gasse entlang. Der erste, scharfe Schmerz war einem dumpfen, anhaltenden Gefühl von unendlicher Wehmut gewichen. Zwischen seinen Nasenwurzeln stand eine steile Fklte, während er weiter dahintappte.
    Nun bin ich also schuld an ihrem Tode, sagte eine Stimme im innersten Winkel seines Gewissens. Mach dir nur nichts vor! Schiebe ja nichts auf den unglücklichen Zufall! Du bist daran schuld. Du hast die Bombe in der Reisetasche ins Gepäcknetz gelegt und bist ausgestiegen. Du bist schuld an ihrem Tode.
    Er blieb stehen und zerrte nervös an seinen Fingern, sodass die Gelenke knackten. Weit draußen auf dem Hudson heulte eine laute Schiffssirene. Und weiter unten in den Docks ratterten die Presslufthämmer und dröhnten die gewaltigen Ladekräne. Auf den Kais schnauften Feldbahnzüge. Lastwagen kamen und fuhren wieder davon. Einer der ganz großen Ozeandampfer hatte ganz weit unten angelegt. Von dem metallenen Riesen ging ein pulsierendes Leben aus. Man konnte es bis hier herauf spüren. Brausendes, gurgelndes, schäumendes Leben. Taxis eüten an der Uferseite entlang. Eine Schulklasse aus dem Hinterland war gekommen und besichtigte die Hafenanlagen. Reporter tauchten hier und da auf - immer auf der Jagd nach jenem einzigen Foto, das das Glück der Titelseite einbringen würde.
    Der Mann blieb abermals stehen und sah sich langsam und sehr gründlich um. Erst als er ganz genau wusste, dass niemand ihn beobachtete, zog er den Sicherheitsschlüssel und schloss die Tür auf.
    Es wird Zeit, dass ich zu einem Ende komme, dachte er. Alles hat sich anders entwickelt, als es geplant war. Offenbar ist es nicht möglich, eine Aktion bis ins Letzte hinein zu planen und sie dann buchstabengetreu auszuführen. Es gibt zu viele Unsicherheitsfaktoren. Vor allem kann man nie genau Voraussagen, was der Gegner tun wird. Nein, es hat keinen Zweck, jetzt noch an einem Plan festzuhalten, dessen Voraussetzungen sich längst geändert haben.
    Schluss machen, dachte er. Schluss! Schluss machen! Endlich von nichts mehr wissen. Eintauchen in das große Meer des Vergessens.
    Er betrat das Zimmer, in dem er das Mädchen gefangen hielt. Auch dies war ursprünglich einmal ein Teil seines Planes gewesen. Jemand haben, den man als Geisel verwenden kann. Dessen Leben man gegen

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