0269 - Blutfehde zwischen Wolkenkratzern
aufmerksam werden.«
Ein Klopfen an der Tür unterbrach unser Gespräch.
»Come in!«, rief ich, und als die Tür aufging, waren wir beide sprachlos.
Eine Frau, wie aus dem Filmmagazin trat über unsere Schwelle und erhellte den Raum mit dem Licht ihrer atemberaubenden Schönheit. Lächelnd schwebte sie auf uns zu, umarmte uns und hauchte jedem von uns einen zarten Kuss auf die Wange.
Phil schloss die Augen und stöhnte gequält auf.
»June, wo kommst du her?«
June Holland, sechsundzwanzig Jahre jung und bildhübsch, war die fähigste FBI-Agentin des New Yorker Distrikts. Lächelnd setzte sie sich.
»Nun beruhigt euch wieder«, flötete sie. »Ich komme gerade aus Philadelphia, habe dazu beigetragen, einer kleinen Falschmünzergang den Garaus zu machen. Ich fliege am Mittwoch auf die Bahamas, um Ferien zu machen.«
»Donnerwetter!« staunte ich. »Auf die Bahamas? Wie wäre es, wenn du dich vorher mit mir in das New Yorker Nachtleben stürzt?«
Der Blick, mit dem sie mich musterte, war voller Misstrauen.
***
Es ging auf 22 Uhr, als ich meinen Wagen vor dem Eingang des Café Latino in der Barrow Street von Greenwich Village abstoppte. June stieg aus und wartete, während ich den Jaguar ein Stück vorsetzte, um die Anfahrt für andere Wagen freizumachen. Als ich die Wagentür abgeschlossen hatte, hakte sich June bei mir ein.
Ich hatte schon beim Betreten des Clubs ein ungutes Gefühl. Hoffentlich brauchte ich den Entschluss, June Holland mitzunehmen, nicht bereuen. Mit ihr musste man ja einfach auffallen.
Ein geschniegelter Gent, der sich als der Geschäftsführer entpuppte, geleitete uns an einen freien Tisch. Es war das reinste Spießrutenlaufen. Überall verstummten die Gespräche, und die Blicke, vornehmlich der anwesenden Herren, folgten uns. Ich warf einen Blick zum Podium hinüber, wo eine sechsköpfige, südamerikanische Band gerade Pause machte. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass Luisa Laurenti nicht dabei war.
June bestellte für sich einen Mato-Grosso-Cocktail. Mir kam das alles nicht so recht geheuer vor, daher blieb ich lieber bei einem Whisky. Die Kellner trugen grellgelbe Seidenblusen und enge, schwarze Hosen, mit einer roten Borte an der Seite.
Mit südamerikanischer Grandezza fegten sie durch den Laden, und zwei Minuten später standen die Getränke schon vor uns. Ich hob mein Glas und sah June an.
»Cheerio!«
»Cheerio«, antwortete sie.
Mit einem Paukenschlag setzte die Band ein und spielte einen Samba. June sah mich bittend an und ich erhob mich mit einer korrekten Verbeugung. Als der Tanz zu Ende war, gingen wir zurück zu unseren Tisch. Ich zündete mir eine Zigarette an und vernahm im gleichen Augenblick eine Stimme hinter mir.
»Haben Sie Feuer, Mister?«
Ich drehte mich um und reichte dem Mann Feuer. Es war Walter Stein.
»Sie ist in der Garderobe«, flüsterte er mir zu. »In fünf Minuten ist ihr nächster Auftritt dran. Sie hat Besuch bekommen. Ich sage nur schwarzes, lockiges Haar. Vielen Dank, Sir!«, fügte er laut hinzu und zog sich wieder zurück. Er ging zu einem Tisch in der hintersten Ecke.
Ich starrte gebannt auf die Tür neben dem Podium. Luisa Laurenti musste durch diese Tür kommen, aber auch ihr Begleiter? Ich kannte die Räumlichkeiten des Café Latino nicht. Es war ebenso gut möglich, dass Luisa ihren Bruder hinten herauslassen konnte. Jetzt war guter Rat teuer.
»Ist die Spur heiß, Jerry?«, fragte June.
Ich nickte. »Sehr heiß sogar, June. Ich darf keine Zeit verlieren, sonst entwischt mir der Bursche.«
Ich gab dem Kellner ein Zeichen und verlangte die Rechnung. Nachdem ich bezahlt hatte, verließen wir den Laden. Der Portier hielt diskret die Hand auf und ebenso diskret legte ich einen Dollar hinein. Dann zog ich June zu dem Jaguar und drückte ihr den Schlüssel in die Hand.
»Du bleibst im Wagen sitzen, June. Ich versuche vom Nachbargrundstück her auf den Hof zu gelangen. Wenn Not am Mann ist, verständigst du über Funk die Zentrale, verstanden?«
»All right, Jerry. Und nimm dich in Acht!«
Ich schob beide Hände in die Hosentasche und schlenderte am Eingang des
Latino vorbei. Der Portier sah mir nach, und so ging ich erst an der Haustür des Nebengebäudes vorbei. Es war eine breite, dunkle Toreinfahrt. Ein glücklicher Zufall kam mir zu Hilfe. Vor dem Eingang des Latino hielt ein Wagen, und der Portier wandte seine Aufmerksamkeit den neuen Gästen zu.
Ich drehte um und verschwand in dem dunklen Hausflur. Im Mondlicht
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