0269 - Blutfehde zwischen Wolkenkratzern
der sich fluchend umdrehte.
»Jerry?«
»Walter? Wo ist er hin?«, keuchte ich.
Walter Stein deutete nach vorn, wo gerade ein Motor aufheulte. Schon an dem Geräusch erkannte ich, dass es sich um meinen Jaguar handelte. Dann sah ich den roten Wagen davonrasen. Ich war völlig perplex. Walter hatte meinen Arm ergriffen und zog mich durch die Barrow Street. Ein paar Häuser weiter blieb er stehen und schloss die Tür eines grünen Thunderbird auf.
»Los, Jerry, komm schon! Wir haben Sprechfunk!«
Wir sprangen in den Wagen und brausten hinterher. Der Gedanke, dass ich hinter meinem eigenen Wagen her war, hätte belustigend sein können, wenn nicht die große Sorge um June Holland gewesen wäre. Würden wir sie gesund Wiedersehen?
***
June Holland hatte sich gerade eine neue Zigarette angezündet, und sah durch das Rückfenster des Jaguars zum Eingang des Latino hinüber. Plötzlich sah sie den Portier zur Seite taumeln. An ihm vorbei stürzte ein großer, kräftiger Mann auf die Straße. Er hielt einen Derringer in der Hand und wollte zur anderen Straßenseite hinüber, doch mitten auf der Fahrbahn sah er sich gehetzt um. Sein Blick fiel zum Jaguar, und er kam darauf zu. Erst als er die Tür aufriss, sah er June.
»Steigen Sie aus, Miss, rasch, wenn ich bitten darf.«
June zwang sich zu einem Lächeln. »Aber, Sir? Spricht man so mit einer Dame? Nehmen Sie um Himmels willen Ihren Schießprügel weg, der Anblick macht mich ganz krank. Mein Verlobter ist nämlich bei der Polizei, daher kann ich die Dinger nicht mehr sehen.«
Roman Abbata kletterte fluchend hinter das Steuer und knallte die Tür zu. Der Motor heulte auf, und der Jaguar schoss nach vorn.
June zog ganz ruhig an ihrer Zigarette. Ihr Blick glitt über das Armaturenbrett und streifte dabei das Funkgerät, das sie schon eingeschaltet hatte, als der Mann das Latino verließ.
»Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Greenwich Village so eine wilde Gegend ist, wo sich passabel aussehende Gentlemen des Nachts fremde Wagen ausleihen, indem sie mit einer Pistole herumfuchteln. Ich habe immer gedacht, mein Verlobter übertreibt. Der wird ohnehin wild, wenn er merkt, dass Sie ausgerechnet seinen Wagen ausgewählt haben.«
Roman ließ die Pistole in die Tasche gleiten. »Halten Sie jetzt gefälligst Ihren Mund, Miss. In einer ruhigen Gegend steige ich wieder aus, dann können Sie Ihren Freund anrufen und sich von ihm abholen lassen.«
»Oh, das finde ich reizend von Ihnen, Sir. Ich habe doch gleich den richtigen Blick gehabt. Ein Gentleman bleibt ein Gentleman. Warum biegen Sie denn in die Seventh Avenue ein? Wollen Sie zum Times Square?«
June fragte es mit dem harmlosesten Gesicht der Welt. Der Mann am Steuer hatte keine Ahnung, dass jedes ihrer Worte in der Zentrale ebenso gehört wurde, wie in dem grünen Thunderbird, mit dem Walter Stein und ich meinem Wagen folgten.
Roman Abbata bog in die West 23rd Street ein.
»Dieser rote Jaguar ist ein Gedicht, finden Sie nicht auch?«, fragte June jetzt.
»Sie sollen den Mund halten, Miss«, knurrte Roman gereizt, dem das Girl ganz gehörig auf die Nerven ging.
June schwieg einen Moment. Sie erinnerte sich meiner Warnung, unter keinen Umständen ihre Pistole zu zeigen, sonst hätte sie diesem Kerl jetzt einen gehörigen Schrecken eingejagt.
So konnte sie nur hoffen, dass man nach ihren Anweisungen den Jaguar einkreisen würde.
»Schauen Sie da«, rief sie plötzlich, »das London Terrace-Building. Sie wollen wohl zu den Kais rüber, wie? Darf ich das Radio einschalten?«
»Von mir aus«, schnaufte Roman Abbata. »Wenn Sie nur Ihren Mund halten, dann ist alles okay.«
June beugte sich vor und drückte auf einen Knopf. Sofort heulte die Sirene los. Der Mann am Steuer fuhr zusammen.
»Was ist das?«
»Keine Ahnung«, murmelte June verstört. »Hört sich wie eine Sirene an. Ich schalte lieber wieder ab.«
Sie drückte einen anderen Knopf, und das Rotlicht flammte auf und warf sein zuckendes Licht in die Runde.
»Typische Polizeiwagen«, meinte June zerknirscht. »Ich gebe es auf. Hui, der Miller Highway! Da können Sie Gas geben.«
Roman Abbata verlor die Beherrschung. Er schlug June mit seiner rechten Hand brutal ins Gesicht. Sie sah einen Funkenregen vor ihren Augen tanzen und ließ sich seitwärts in die Polster sinken. Beim Einbiegen in die 34th Street schlingerte der Jaguar gefährlich auf dem Pflaster. Als June wieder zu sich kam, bog Roman gerade in die Dyer Avenue ein. Sie wischte sich einen
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