027 - Im Tempel der schwarzen Chimäre
entferne dich auf keinen Fall weiter vom Dorf.«
»Bestimmt nicht, ich verspreche es«, sagte Piri.
Sie verließ mit Ramba das Dorf. Mexalock kehrte in die Hütte zurück, nahm sein grünes Kurzschwert in die Hand und schärfte es mit einem grünen Stein.
Sobald der Zauberer und das Mädchen aus dem Dorf draußen waren, hefteten sich Rhadhani, Rocto und Clyppoor an ihre Fersen, ohne daß die beiden Einäugigen es merkten.
Jeder Schritt, den Piri tat, brachte sie weiter vom Dorf weg und näher an ihren grausamen Tod heran…
***
Van Dyke schwenkte den Kranarm, und ich sauste, auf dem Haken stehend, mit rasch zunehmender Geschwindigkeit auf das Abbruchhaus zu. Zum Glück war der Polizist van Dyke ein wahrer Künstler, der den Kran so hervorragend zu bedienen verstand wie ein Virtuose seine Hammondorgel. Er wäre imstande gewesen, mit dem Riesenhaken eine Fliege zu erschlagen, die auf der Fassade saß.
Präzise visierte er eines der Fenster an, und ich brauchte keine Angst zu haben, daß er mich gegen die Mauer schleuderte und ich platt wie eine Flunder in die Tiefe segelte. Auf van Dyke konnte ich mich verlassen.
Das Fenster, auf das ich zufegte, wurde immer größer. Die Entfernung wurde immer kleiner, und dann landete ich im Ziel.
Der große Haken leistete die Vorarbeit. Er zertrümmerte das Glas, hämmerte die Flügel auf, ich ließ los und flog mit dem Splitterregen in das Gebäude. Nun mußte alles mit der Präzision eines Uhrwerks ablaufen, und obendrein blitzschnell. Wenn das Timing nicht stimmte, konnte ich einpacken.
Während ich durch die Luft sauste, krümmte ich den Rücken. Ich drehte mich und nahm den Kopf zur Seite. Über den linken Arm rollte ich wie ein Judoka ab, kam mit Schwung auf die Beine, sprang in Combat-Stellung und schwang den Colt Diamondback hoch.
Vor mir ein Gang.
Drei Fenster weiter ein Mann.
»Frank!« brüllte ich, und dann drückten wir beide ab.
Seine Kugel fegte haarscharf an meinem Hals vorbei. Mein Geschoß traf ihn. Er schrie auf, riß die Arme hoch, verlor die Pistole, wirbelte herum und torkelte auf die Treppe zu.
Ich folgte ihm natürlich.
Er kugelte über die Stufen bis zum ersten Treppenabsatz hinunter, kämpfte sich wieder auf die Beine und hastete weiter. Ich sprang immer gleich über drei Stufen, holte auf, schnellte mich ab und flog hinter ihm her. Mit ausgestreckten Armen erwischte ich ihn. Meine Brust prallte gegen seinen Rücken. Wir stürzten beide, aber ich ließ ihn nicht los. Den Rest der Treppe purzelten wir hinunter. Einmal war ich über ihm, dann er über mir. Die Stufen hämmerten hart gegen meine Rippen.
Frank stöhnte.
Ich behielt ihn weiterhin fest im Griff. Sein Blut rann über mein Gesicht und verklebte mein rechtes Auge. Oben, unten, links, rechts – alles geriet durcheinander.
Endlich kam der Stillstand.
Ich stemmte mich atemlos hoch und holte mit dem Revolver aus, war bereit, zuzuschlagen und Frank Esslin ins Land der Träume zu schicken, doch dort befand er sich bereits. Er hatte den Sturz nicht so gut wie ich überstanden. Schwer atmend ließ ich die Waffe sinken. Frank war im Augenblick nicht gefährlich.
Sicherheitshalber fesselte ich ihm die Arme mit meinem Gürtel auf den Rücken, damit er mir keinen Ärger mehr machte, wenn er zu sich kam. Ich wischte mir sein Blut mit dem Ärmel ab und durchstöberte hastig seine Taschen, hoffend, die gefährlichen Höllenpillen zu finden, doch damit hatte ich kein Glück. Er trug sie nicht bei sich.
Mist!
Es war sehr düster im Haus.
Ich steckte meinen Colt in die Schulterhalfter, packte Frank Esslin und drehte ihn auf den Rücken. Er seufzte und öffnete die Augen.
Im selben Moment kam mir ein fürchterlicher Verdacht. Ich beugte mich tiefer zu meinem Gefangenen hinunter, um sein Gesicht genauer erkennen zu können, und dann entfuhr mir ein Fluch, denn der Mann, den ich mir unter Einsatz meines Lebens geholt hatte, war nicht Frank Esslin, mein einstiger Freund und jetziger Söldner der Hölle.
Er sah ihm zwar ähnlich, aber es war mit Sicherheit nicht Frank Esslin!
***
Rhadhani, Rocto und Clyppoor pirschten sich an Piri und den alten Zauberer vorsichtig heran. Sie bewegten sich leise und geschmeidig wie Schlangen. Hin und wieder knackte ein Ast, doch solche Geräusche wurden vom Rauschen des nahen Wasserfalls übertönt.
Ramba und das Mädchen unterhielten sich. Sie redeten über Ixa, und der alte Zauberer machte Piri das Angebot, zu ihm zu kommen, bei ihm zu leben. »Du würdest
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