027 - Im Tempel der schwarzen Chimäre
brach vor Pater Severins Kirche zusammen. Scarpatt heißt er. Er liegt ohnmächtig im Pfarrhaus. Ich habe Pater Severin versprochen, dich zu ihm zu bringen.«
»Dann wollen wir dein Versprechen gleich mal einlösen«, sagte ich und startete den Motor.
Ich mochte Pater Severin sehr. Er war das, was man als eine urige Type bezeichnen konnte, ein ganz und gar außergewöhnlicher Pfarrer, der seine Schäfchen liebte, zu ihnen streng, aber gerecht war, und nicht davor zurückschreckte, zu zeigen, wie kräftig er war.
Neulich hatte er einen Wettkampf im Gewichtheben bestritten – und gewonnen. Er war fast bei allem dabei, versteckte sich niemals hinter seiner Soutane, und die Ausrede »Das schickt sich nicht für einen Priester« existierte für ihn nicht.
Ich erinnerte mich an einen Abend im Pfarrhaus, da mußte ich Pater Severin unbedingt ein paar Judotricks beibringen. Er räumte sämtliche Möbel beiseite, und dann krachte er mindestens zwanzigmal auf den Teppich, bis er begriffen hatte, wie er das verhindern konnte, und dann flog ich aufs Kreuz.
Er war ein Pfarrer fürs Volk, alle liebten ihn, und die, die nicht ganz sauber waren, fürchteten ihn.
Mr. Silver berichtete mir, was er von Pater Severin erfahren hatte.
Demnach trieb im Reich der grünen Schatten die Bande der schwarzen Chimäre ihr Unwesen, und Prinzessin Ragu wollte, daß ich ihr und ihren Getreuen beistand.
Ich hatte ihr gesagt, sie dürfe sich jederzeit um Hilfe an mich wenden. Davon machte sie wieder einmal Gebrauch, und ich zögerte nicht, mich für die liebenswerte Prinzessin zu verwenden. Ich konnte mir vorstellen, daß mich wieder zahlreiche Gefahren im Reich der grünen Schatten erwarteten. Dennoch freute ich mich auf ein Wiedersehen mit Ragu und ihrem Freund und Berater Ugar, einem tapferen Krieger, mit dem ich schon Seite an Seite gekämpft hatte.
Ich hatte sehr viel übrig für diese grünen Schatten. Seit es Skup, den Tyrann von Markia, nicht mehr gab, lebten Markiasen und Darganesen, geführt von Prinzessin Ragu, in friedlicher Eintracht nebeneinander. Sie erschlugen sich nicht mehr gegenseitig und waren allesamt froh, daß die Zeit der Kriege vorbei war.
Das Auftauchen von Ytlar und seinen Vogelbestien ließ Markiasen und Darganesen noch enger zusammenrücken. Dreiarmige und Einäugige kämpften gemeinsam gegen den Aggressor, der aus einer anderen Welt in ihr Reich eingedrungen war, und ich half ihnen dabei, die Vogelwesen aus dem Reich der grünen Schatten zu verjagen.
Vor meinem geistigen Auge liefen noch einmal all die gefahrvollen Ereignisse ab, und mir war ein bißchen so, als würde das Reich der grünen Schatten zu meiner zweiten Heimat werden.
Wir erreichten das Pfarrhaus.
Wenig später standen wir vor Scarpatt, der das Bewußtsein wiedererlangt hatte.
»Die Königin von England erreicht man früher als dich, mein Sohn«, sagte Pater Severin vorwurfsvoll.
»Tut mir leid, Pater, ich hatte zu tun.«
»Was war’s denn diesmal? Ein Werwolf? Ein Vampir? Ein Ghoul?«
»Ein Gangster«, sagte ich.
»Seit wann übernimmst du auch solche Aufträge?«
»Ich dachte, es wäre Frank Esslin.« Er kannte Frank von früher, wußte aber noch nicht, wie erheblich sich sein einstiger Freund gewandelt hatte. Als er davon erfuhr, drückte sein Blick Mitleid und Betroffenheit aus.
»Kann man denn nichts mehr für Frank Esslin tun?« fragte er.
»Es sieht nicht danach aus. Frank scheint ein für allemal für uns verloren zu sein. Vielleicht ist es verrückt, aber ich hoffe trotzdem noch auf ein Wunder.«
Während ich Pater Severin von meinem Einsatz in Soho erzählte, sah sich Mr. Silver Scarpatts Verletzung an, um die sich Ramba, der alte Zauberer, gekümmert hatte.
»Rambas Zauberkräfte scheinen nachzulassen«, stellte der Ex-Dämon fest.
»Er nahm sich nicht genug Zeit«, stöhnte Scarpatt.
»Ich werde versuchen, dir zu helfen«, sagte Mr. Silver. »Vielleicht schaffe ich es, dich vorübergehend mit so viel Energie aufzupumpen, daß du ins Reich der grünen Schatten zurückkehren kannst. Danach muß sich Ramba noch einmal deiner annehmen.«
Der Ex-Dämon streckte seine Hände aus. Sie überzogen sich mit einem silbrigen Flirren. Er legte beide Hände auf Scarpatts Rücken und konzentrierte sich. Er gab von seiner Kraft etwas an das grüne Schattenwesen ab. Das war für ihn kein Problem. Die abgegebene Kraft würde sich in ihm schnell wieder erneuern.
Es war ähnlich wie beim Blutspenden.
Pater Severin und ich beobachteten
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