027 - Im Tempel der schwarzen Chimäre
das schlanke Boot der Insel näherte, erreichte Mexalock das Ufer des Sees. Er rutschte aus dem Sattel und sah, wohin die Entführer seine Schwester brachten. Ein zweites Boot stand ihm nicht zur Verfügung, also mußte er schwimmen.
Unverzüglich warf er sich in die Fluten. Nach wie vor tobte dieser furchtbare Schmerz in seiner Brust, den er einfach nicht ignorieren konnte.
Weiter! Weiter! befahl ihm eine innere Stimme. Du darfst nicht aufgeben, sonst ist Piri verloren. Du bist ihre einzige Rettung.
Dieser Gedanke ließ Mexalock über sich hinauswachsen. Er mobilisierte seine Kraftreserven. Sie mußten nicht nur ausreichen, um bis zur Insel zu gelangen. Er würde anschließend auch noch so viel Kraft brauchen, um die Entführer zu töten und Piri zurückzuholen.
Den Zweifel, daß er sich zuviel zumutete, daß er das alles niemals schaffen konnte, ließ er nicht gelten. Er verbannte ihn aus seinem Kopf. Er war Piris allerletzte Chance, deshalb würde er erst aufgeben, wenn er tot war.
Rocto und Clyppoor erreichten die Insel. Sie legten die Ruder ins Boot, Rocto sprang an Land und zog das Boot weit auf das Ufer hinauf.
Piri war vor wenigen Augenblicken zu sich gekommen. Ihr Auge öffnete sich vorsichtig. Sie verhielt sich weiterhin reglos. Sand knirschte unter dem Boot. Es schwankte und neigte sich zur Seite, nachdem es das Wasser verlassen hatte.
Das einäugige Mädchen wartete, bis Clyppoor sich erhob. Dann schnellte sie urplötzlich hoch.
Damit überraschte sie den Dreiarmigen. »Uff!« machte er.
Sie rammte ihm ihre Fäuste gegen die Brust. Clyppoor verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings ins Wasser.
Rocto fluchte. »Das hat keinen Zweck!« zischte er. »Du entkommst nicht, und du entrinnst deinem Schicksal nicht!«
Piri packte mit beiden Händen ein Ruder. Clyppoor spie eine grüne Wasserfontäne aus und schwamm auf das Boot zu.
Das einäugige Mädchen drosch ihm das Ruderblatt auf den Schädel. Rocto sprang ins Boot. Piri kreiselte herum, während Clyppoor benommen unterging, und traf den zweiten Markiasen an der Schulter.
Der Schlag beförderte ihn aus dem Boot. Clyppoor tauchte hustend auf. Piri holte sofort wieder mit dem Ruder aus, doch diesmal entging der Dreiarmige dem Schlag, indem er sich blitzschnell zur Seite bewegte.
Das Ruderblatt klatschte ins Wasser.
Mit drei Händen griff Clyppoor zu. Er entriß dem wilden Mädchen das Ruder. Rocto sprang abermals in das Boot, und nun gelang es ihm, Piri zu überwältigen.
Sie gebärdete sich wie von Sinnen, denn sie wußte, daß sie um ihr Leben kämpfte und daß sie so eine Chance nie mehr haben würde.
Sie biß und kratzte. Rocto ließ sie los, aber nur für einen Augenblick. Seine drei Fäuste trafen sie schmerzhaft, und als sie erschöpft zusammensackte, fing er sie auf.
Er zerrte das Mädchen aus dem Boot und ging dabei nicht gerade zart mit ihr um. Clyppoor verließ keuchend das Wasser, und auch von ihm mußte Piri einige Schläge hinnehmen. Dann stellten sie das Mädchen auf die schwankenden Beine und rissen sie mit sich fort.
Wertvolle Zeit schlug für Mexalock zu Buche. Piri hatte den Vorsprung der Entführer erheblich verringert. Als Rocto und Clyppoor im Dickicht verschwanden, wankte Mexalock triefnaß ans Ufer.
Er zog sein Schwert und den schwarzen Chimärendolch. Er sah Piris Fußspuren im Sand, und sein Herz krampfte sich zusammen.
Mit großen Schritten eilte er hinter den Markiasen her. Er verlor ständig Blut, das machte ihm Sorgen, aber er konnte sich nicht schonen.
Erst mußte er diesen Bastarden Piri abjagen.
Später würde ihn Piri pflegen, und Ramba würde ihm helfen.
Später…
Da das mißhandelte Mädchen nicht schnell gehen konnte, holte Mexalock die Dreiarmigen bald ein. Rocto warf einen mißtrauischen Blick zurück. Mexalock sprang hinter einen Baum und regte sich nicht. Er kam erst wieder zum Vorschein, als Rocto nach vorn sah.
Mexalock holte mit dem Chimärendolch aus. Kraftvoll schleuderte er die Waffe, die er erbeutet hatte.
Der Dolch sauste zielsicher durch die Luft und bohrte sich in Roctos Nacken. Die magisch geladene Klinge durchdrang den Hals des Markiasen.
Der Laut, der aus Roctos Mund drang, war markerschütternd.
Der Dreiarmige riß entsetzt die Augen auf. Er ließ Piri los, torkelte noch zwei Schritte weiter und brach dann zusammen.
Als Clyppoor das sah, schnappte er fast über.
Er kreiselte herum. Um Piri kümmerte er sich nicht mehr. Sein haßerfüllter, brennender Blick richtete sich
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