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027 - Ruf des Blutes

027 - Ruf des Blutes

Titel: 027 - Ruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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tot«, erwiderte Lunaa. »Garney?« Rhian sah sie fragend an.
    »Der Junge, der mit euch hergebracht wurde.«
    Rhian nickte benommen. Der Junge, dessen Namen sie bis heute nicht gekannt hatte.
    Garney…
    Jetzt wusste sie ihn. Jetzt, da er tot war. Etwas an diesem Umstand berührte ihr Herz wie mit einem kalten Finger.
    »Woran ist er…?«, setzte Rhian an, ohne die Frage ganz auszusprechen. Das musste sie auch nicht. Die Frage war schließlich naheliegend.
    »Sein Körper war nicht mehr in der Lage, den Blutverlust auszugleichen«, entgegnete Lunaa. »Das passiert eben irgendwann.«
    Rhian hasste den Ton, in dem Lunaa sprach, so nüchtern, gleichgültig. Aber sie wusste auch, dass Lunaa nichts dafür konnte. Es war ihr nicht möglich anders zu reagieren. Sie war an diesem Ort aufgewachsen, und der Tod der Kinder, die der Sammler hierher brachte, hatte sie ihr Leben lang begleitet.
    Und sie war vom hehren Zweck dieses Sterbens überzeugt.
    Denn schließlich starb jedes dieser Kinder zum Wohle der Nosfera…!
    Rhian fröstelte, wie jedes Mal, da sie daran dachte, was Lunaa ihr gesagt hatte über den Sinn und Zweck und die Ziele jener Experimente, die Kharnov vornahm.
    Er - und mit ihm Vaitor und Tyress -jagten einer Idee hinterher, von der sie schier besessen waren. Sie versuchten ein Märchen wahr zu machen, spürten einer Legende nach, von der sie gehört hatten.
    Sie glaubten wahrhaftig, dass es ihnen gelingen konnte, Blut zu machen!
    Angeblich war es schon einmal gelungen. Vor ewiger Zeit, an die sich niemand mehr erinnerte. Nur die Sage davon hatte die Zeit überdauert.
    Kharnov sei es gewesen, so sagte Lunaa, der die Geschichte gehört hatte. Er habe sie nicht nur geglaubt, sondern auch Vaitor und Tyress damit infiziert. Und seither suchten sie nach Mitteln und Wegen, sie wahr zu machen.
    Eine so absurde wie lästerliche Idee, fand Rhian. Wie konnte sich irgendjemand anmaßen, den Saft des Lebens imitieren zu wollen, ganz gleich in welcher Absicht?
    Kharnov, laut Lunaa seit jeher von der Existenz geheimnisvoller Mächte und Kräfte überzeugt und fasziniert, tat es. Und Rhian hoffte, dass er dafür eines Tages in der Hölle - in der richtigen Hölle! -schmoren würde.
    Bis dahin jedoch würde noch viel Blut fließen, echtes Blut. Blut von Kindern, das, so argumentierte Kharnov, noch unverdorben und rein sei und deshalb der Stoff sein müsse, aus dem er seinen Traum schaffen würde - den Traum aller Nosfera: Blut in Hülle und Fülle!
    Bis dahin würde der Sammler weiterhin im ganzen Land Kinder auflesen, ihren Familien entreißen und an diesen Ort im Nirgendwo karren, um sie Kharnov auszuliefern, der sich den Sammler verpflichtet hatte, indem er dessen Sohn abhängig gemacht hatte von einem Mittel, das immense Kraft und Schmerzunempfindlichkeit verlieh.
    O ja, Kharnov war ein Teufel. Und Lunaas Eltern, mochten sie im Endeffekt auch kaum mehr als Handlanger des Wahnsinnigen sein, waren um keinen Deut besser.
    Ab und an spielte Rhian mit dem Gedanken, sich in den Besitz jenes Stoffes zu bringen, durch den der Sohn des Sammlers zum Übermenschen geworden war. Mit solcher Kraft würde es ihr ein Leichtes sein, Kharnov für seine Grausamkeiten zur Rechenschaft zu ziehen und ihn eigenhändig zur Hölle zu schicken!
    Aber sie versuchte es nie. Schreckte davor zurück. Weigerte sich, den eigenen Tod zu besiegeln, so lange es noch ein Fünkchen Hoffnung gab.
    Hoffnung hegte Rhian, so lange sie noch Kraft zum Beten fand. Und diese Kraft versiegte nicht. Sie währte zwei oder drei Jahre lang; vielleicht war sogar noch mehr Zeit vergangen, als ihre Gebete schließlich erhört wurden…
    ***
    Rhian führte sie schnell und sicher durch schmale Durchlässe zwischen Häusern und über Hinterhöfe, stets geschützt vor zufälligen Blicken etwaiger Beobachter. Matt zweifelte nicht daran, dass das Mädchen sich schon seit einiger Zeit in Phillia aufhielt und ihre Hausaufgaben gemacht hatte. Möglicherweise lebte sie ja auch hier. Die entsprechende Frage -und etliche andere, die ihm auf der Zunge brannten - hatte er sich bislang verkniffen, weil Rhian ihnen bedeutet hatte, still zu sein.
    Matt hatte nicht das Gefühl, dass Philadelphia ganz und gar verlassen war. Obwohl es den Anschein hatte, dass sie sich durch eine Geisterstadt bewegten. Sie begegneten keiner Menschenseele; nirgends gab es ein sichtbares Anzeichen dafür, dass hier Menschen lebten. Aber Matt meinte sie fühlen zu können, die Gegenwart von Menschen - und vor

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