0273 - Die Sekte aus dem Jenseits
Mühlsteinen, zwischen denen er zerrieben werden sollte. Der eine Stein waren die Hexenjäger, der andere die Mördersekte.
Nur langsam erholte er sich wieder von der Anstrengung des Kampfes. Mit Zauberei war im Moment nichts drin. Aber es gab ja auch noch andere Tricks. Es galt nur, einen günstigen Moment abzuwarten und dann zu handeln.
Auf diesen Moment wartete er jetzt…
***
Schon nach wenigen Augenblicken wußte Nicole, daß sie in einem anderen Teil des Gebäudes war als in der Nacht. Der Gang, durch den sie sich bewegte, war schmaler. Ihre Schritte hallten seltsam. Mehrmals flogen ihr Spinnweben ins Gesicht. Ihre rechte Hand strich an den feuchten und kalten Steinen entlang.
Plötzlich war da eine Lücke.
Nicole stoppte ab und warf sich nach rechts. Sie stolperte in einen dämmerigen Raum. Von draußen kamen schmale Lichtspalte. Es dauerte einige Sekunden, bis Nicole erkannte, daß es ein mit Holzbrettem vernageltes Fenster war.
Sie versuchte, sich in dem Raum zu orientieren. Zu ihrem Leidwesen gab es keinen weiteren Zugang.
Schritte klangen auf.
Die Verfolger stürmten durch den Gang heran.
Nicole preßte sich im dunkelsten Teil des Raumes an die Wand und lauschte. Da sah sie zwei helle Punkte in der Finsternis aufglühen.
Sie erschrak. Zamorras Worte fielen ihr ein, daß in diesem Gemäuer noch Reste Schwarzer Magie sein sollten. Nahm hier etwa ein Schreckens wesen Gestalt an?
Die beiden hellen Punkte bewegten sich leicht, behielten aber immer den gleichen Abstand. Nicole erschauerte. Das spärliche Licht reichte nicht aus, etwas zu erkennen.
Jetzt hielten die Verfolger an. Sie waren direkt an der Tür zu diesem Raum. »Da ist etwas«, hörte Nicole einen von ihnen sagen.
Stahl klirrte. Ein Schwert wurde vorsichtig in den Raum gestreckt.
»Wenn du hier drinnen bist, zeige dich. Du hast keine Chance«, sagte eine dumpfe Stimme. »Wir räuchern dich aus, verdammte Hexe!«
In die beiden glühenden Augen kam Bewegung. Etwas jagte knurrend durch die Luft auf die Männer an der Tür zu. Laute Schreie folgten, ein dumpfer Zusammenprall. Ein Schwert polterte auf Stein. Hastige Bewegungen. Flüche, ein erneuter Schrei und wildes Knurren.
Fenrir! Er fuhrwerkte mit Krallen und Zähnen unter den Ledermännern. Und die mußten wohl annehmen, daß hier gleich ein ganzes Rudel höllischer Bestien auf sie wartete. Sie hetzten erst einmal davon, um die Lage in Ruhe zu bedenken.
Fenrir also war das Ungeheuer mit den glühenden Augen.
Nicole lächelte erleichtert. Sie hätte sofort daran denken sollen. Andererseits hätte der Wolf sich ihr doch auch telepathisch bemerkbar machen können! Aber er jagte eben anderen gern einen Schrecken ein…
»Fenrir, ich danke dir, Retter in der Not«, flüsterte sie.
Fenrir tappte auf sie zu und wischte ihr in der Dunkelheit mit der langen, nassen Wolfszunge durchs Gesicht, ehe sie seine Absicht erkennen und verhindern konnte. Er hechelte vergnügt.
»Bestie«, murmelte Nicole.
Sie überlegte. Die Verfolger würden bald merken, was wirklich war, und kamen dann zurück, um gezielt mit einem Wolf und einer Hexe fertig zu werden. Also war es an der Zeit, hier zu verschwinden. Den Wolf an der Seite, eilte Nicole wieder in den Gang zurück und tiefer ins Innere des Gebäudes hinein, bis sie zu einer Treppe kam. Sie glitt die Stufen hinab.
Als sie auf halber Höhe zum Keller war, hörte sie wieder die Stiefel der Verfolger.
***
Zamorra triumphierte innerlich, als Lärm und Geschrei aus dem Innern der Ruine erschollen und sich die Aufmerksamkeit der beiden Ledermänner auf jenen Lärm richtete. Blitzschnell handelte er.
Seit dem vorübergehenden Verlust des Amuletts an Leonardo hatte er sich stärker mit Magie und Zaubersprüchen befaßt als vorher, um von Merlins Stern unabhängig trotzdem nicht ganz hilflos zu sein, und sich so einiges angeeignet. Das glühende Messer war einer dieser kleinen, wenn auch erschöpfenden Tricks. Aber Zamorra hatte noch mehr auf Lager - nicht nur in Sachen Magie.
Aus naheliegenden Gründen hatte er sich auch mit der Kunst des Entfesselns befaßt. Zumindest die Grundzüge beherrschte er, und so dauerte es nur eine halbe unbeobachtete Minute, bis er frei war. Ein Spitzenkönner auf der Varieté-Bühne hätte das natürlich innerhalb weniger Sekunden geschafft. Zamorra war froh, daß es ihm überhaupt gelungen war.
Die beiden Hexenjäger wandten ihm immer noch den Rücken zu.
Da wuchs er lautlos hinter ihnen empor, ballte die Fäuste und
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