0273 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
etwas zu erledigen«, sagte Phil zu den Schülern gewandt. »Lösen Sie inzwischen die Unabhängigkeitserklärung.«
Rasch verließ mein Freund die Klasse. Als er den Lesesaal erreicht hatte, fand er die Tür verschlossen. Er bückte sich und blickte durchs Schlüsselloch. Obwohl kein Schlüssel steckte, sah er nichts als ein Bücherregal.
Phil klopfte ein paar Mal und rief halblaut: »Miss Queal? Ich bin’s! Decker! Hallo! Miss Queal!«
Hinter der Tür rührte sich nichts.
Nervös wandte Phil sich um, als die gegenüberliegende Tür geöffnet wurde. Sammy, der Hausmeister, kam heraus.
»Mister Decker?«, murmelte er und rieb sich die ölverschmierten Hände an seinem dunkelblauen Overall ab. »Wollen Sie dort rein?«
Phil nickte. »Haben Sie abgeschlossen?«
»Ja! Vor zehn Minuten vielleicht, als ich in den Keller ging.«
»War jemand drin?«
Sammy stutzte.
»Verflixt, Mister Decker, ich habe -also ehrlich gesagt - ich habe nicht nachgesehen.«
»Schließen Sie bitte mal auf!«
»Augenblick.« Sammy griff in die große Tasche seines Overalls und suchte den passenden Schlüssel. Gespannt wartete Phil, bis Sammy die Tür geöffnet hatte.
Mein Freund wollte gerade über die Schwelle treten, als er Honda Queal sah.
Für eine Sekunde war er wie gelähmt, dann trat er zurück, stieß die Tür zu und sagte rau: »Schließen Sie wieder ab, Sammy, und bleiben Sie hier stehen. Rühren Sie sich nicht von der Stelle, bis ich wieder da bin!«
***
»Wehr dich doch, du verdammter Feigling!«, krächzte der große Blonde verächtlich, während er mir die Faust gegen das linke Ohr donnerte.
Der Schmächtige hielt sein Messer noch immer in der Hand, machte aber keine Anstalten, damit auf mich loszugehen.
Ich war auf die Knie gestürzt, nachdem mir der Große von hinten in die Kniekehlen getreten hatte. Der Schlag gegen dag Ohr warf mich nach rechts. Ich konnte mich gerade noch mit der rechten Hand aufstützen, sonst wäre ich völlig zu Boden gegangen. Keuchend rang ich nach Luft. Und ich musste meinen ganzen Willen aufbieten, um nicht aufzuspringen und den blonden Stier bei den Hörnern zu packen.
Ein oder zwei Minuten ließ mich der Große in Ruhe. Als ich mich danach auf die Beine rappelte, stand er wartend vor mir, die Daumen hinter die Gürtelschnalle gehakt, sehr selbstbewusst und von seiner Kraft überzeugt wie ein zweiter Herkules.
Der Kleine hatte die Stirn gerunzelt und die Augenbrauen zusammengezogen. Es war offensichtlich, dass er angestrengt nachdachte.
Ich holte tief Luft und räusperte mich.
»Ist dir jetzt klar, worum es geht?«, fragte der Große leise und drohend.
Ich schüttelte den Kopf, obgleich ich ganz genau wusste, was sie von mir wollten. Aber sie sollten es aussprechen.
Der Große kam noch einen Schritt näher und knüllte mit der linken Hand den Pullover vor meiner Brust zusammen.
»Du hast hier Marihuana verkauft«, sagte er leise.
»Welcher verdammte Idiot hat denn das behauptet?«, keuchte ich wütend. »Durchsucht mich doch! Wenn ihr auch nur einen einzigen ›Reefers‹ findet, kannst du mich totschlagen.«
Er blickte mich hart an. Seine Augen waren wasserhell.
»Wenn ich das will, tu ich’s auch«, sagte er leise. »Versuch nicht erst etwas abzustreiten, was ich genau weiß.«
»Also gut«, gab ich zu. »Ich habe so ein paar Dinger verkauft. Was ist denn schon dabei? In New York rennen Hunderte herum, die solche Sargnägel an den Mann bringen. Warum soll ausgerechnet ich es nicht dürfen?«
»Verkauf deinen Dreck, wo immer du willst, aber mindestens eine Meile weit vom College entfernt, kapiert?«
Sicher hatte ich es kapiert, aber das durfte ich nicht zugeben.
»Warum soll ich sie denn nicht hier verkaufen?«, fragte ich. »Hier ist ein gutes Gebiet. Ihr glaubt gar nicht, wie viele Boys und Girls aus dem College Sehnsucht nach einer Marihuana haben!«
»Und ob ich das glaube«, sagte er unbewegten Gesichts. »Deswegen sollst du ja hier verschwinden.«
»Ob ich hier stehe oder nicht«, meinte ich in einem Ton, der ihnen wie ein plötzlicher Anfall von Mut Vorkommen musste. »Deswegen beschaffen sich die jungen Leute ja doch ihr Kraut.«
Ohne vorherige Warnung versetzte er mir einen mörderischen Schlag in den Magen, der mich von den Füßen holte. Ich lag eine Weile im Gras.
Als ich mich soweit erholt hatte, dass ich wenigstens wieder klar denken konnte, wälzte ich mich herum und beschimpfte die beiden. Derartiges war langsam fällig, wenn sie mir meine Rolle
Weitere Kostenlose Bücher