0274 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
täglich mehr als 550 Züge ankämen und abführen. Die Gesamtzahl aller Menschen, die im Verlaufe eines Jahres den Grand Central Terminal benützten, sei größer als die Einwohnerzahl der ganzen Vereinigten Staaten. Unwillkürlich sah sich Phil um. Doch ja, entschied er. Bei dem Betrieb hier kann's stimmen.
Er fragte sich durch und fand schließlich den gesuchten Raum. Als er eintrat, schielte ein alter Mann über seinen Kriminalroman hinweg. Er lag auf einem Feldbstt, rauchte eine kurze Stummelpfeife und schien mit sich und der Welt zufrieden.
»Mister 0‘Hara?« fragte Phil.
»Äh, ja, denke schon, daß ich das bin«, krähte der Alte mit einer vergnügt klingenden Stimme. »Kennen wir uns, Sir?«
»Nein, ich glaube nicht, Mister O'Hara.«
Der Alte hatte sich aufgerichtet und seinen Kriminalroman weggelegt. O'Hara hatte eine breite Knollennase, Stirnglatze bis fast zum Scheitel und einen unwahrscheinlich breiten, wuchtigen Schädel. Er sah Phil neugierig an.
»Ich hätte gern eine Auskunft von Ihnen, Mister O'Hara!«
»Schießen Sie los, Mister. Will sehen, was ich für Sie tun kann.«
»Die Sache ist nicht ganz einfach. Jede Woche einmal scheint mit Ihrem Zug ein Gepäckstück von irgendwoher nach New York geschickt zu werden.«
»Ich kann Ihnen sagen, junger Mann«, krähte O'Hara grimmig, »daß in meinem Packwagen jede Woche einige tausend' Gepäckstücke nach New York geschickt werden!«
»Das ist mir klar«, nickte Phil. »Ich meine ein ganz bestimmtes.«
»Nämlich was für eins? Wo kommt es her? Wo wird es aufgegeben?«
»Eben das weiß ich nicht. Das möchte ich ja gern wissen.«
0‘Hara sah Phil mißtrauisch von der Seite an, als ob er an Phils Verstand zweifelte. Phil seufzte und überlegte, wie er dem Alten am ehesten klarmachen könne, um was es ging. Da fiel sein Blick auf den aufgeschlagenen Kriminalroman.
»Ich bin ein G-man«, sagte er. »Sicher«, nickte O'Hara. »Und ich bin Buffalo Bill.«
Wortlos zog Phil wieder einmal seinen Dienstausweis. O'Hara verdrehte die Augen.
»Meine Güte«, murmelte er. »Ein richtiger G-man! Mister, sagen Sie mir eins: Schießen G-men mit Fünfundvierzigern? Das steht in diesem lausigen Schinken!«
Er deutete auf seinen Kriminalroman. Phil lächelte.
»Aber nein. Wir haben eine 38er Smith & Wesson Special. Da ist sie.« Pihl zeigte seine Dienstpistole, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß sie gesichert war. Der Alte blickte beinahe ehrfürchtig von der Waffe zu Phil, »Sie sind hinter einem dicken Fang her, was?« brummte er düster.
»Ja«, nickte Phil und versuchte, ebenso düster auszusehen, »Und Sie müssen mir weiterhelfen!«
»Klar«, nickte O'Hara mit Verschwörermiene. »Mach ich, Sir!«
»Passen Sie auf«, sagte Phil und dachte, es sei vielleicht am besten, wenn er die Geschichte von hinten her erzählte, »Jede Woche kommt in New York einmal eine Ladung Rauschgift an. Eigentlich hätte sie gestern hier eintrudeln müssen, aber sie kam erst heute. Also hörte ich mich um, wo es gestern im Eisenbahnverkehr Pannen gegeben hat, und da erfuhr ich, daß Sie gestern gestreikt haben.«
»Haben wir, Sir!«
»Und dadurch konnte das Rauschgift nicht gestern hier eintreffen. Heute früh war es pünktlich da. Es stand in dem Schließfach, in das es jede Woche hineingestellt wird, bis es die Rauschgifthändler abholen. Irgend jemand bringt das Rauschgift vom Zug zum Schließfach.«
»Und jetzt möchten Sie wissen, wer das ist?« fragte O'Hara.
»Natürlich!« nickte Phil erleichtert. »Das möchte ich erfahren. Heute früh war es ein großer Kasten. In großen, roten Buchstaben stand darauf TRINKT MEHR FRUCHTSAFT! Erinnern Sie sich an den Karton?«
»Aber sicher!« rief 0‘Hara lebhaft. »Aber der kann mit Rauschgift nichts zu tun haben, Sir! Das schlagen Sie sich aus dem Kopfe! Das ist die Lebensmittelladung, die der Farmer Seratti jede Woche an seinen Sohn nach New York schickt! Der Junge studiert nämlich hier! Ja, das soll mal ein ganz gelehrter Kerl werden!«
»Seratti?« wiederholte Phil nachdenklich.
»Ja! Der Vater hat droben in den Bergen von Connecticut eine Farm! Vorwiegend Viehzucht. Sein Junge hat heute früh den Karton abgeholt! Ich keime doch die beiden schon seit Jahren! Hähä, der Junge hat mir heute einen Witz erzählt! Hören Sie mal zu, Sir!«
»Ja«, nickte Phil zerstreut, während er in seinem Gedächtnis fieberhaft nach dem Namen Seratti kramte. Er war sicher, daß er den Namen schon einmal gehört
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