0279 - Der Zauberer von Venedig
Gelegenheit!« erklärte der Herrscher des Krakenthrones. »Die Küste ist ziemlich weit entfernt. Du wirst viel Kraft brauchen, um deine Freundin über Wasser zu halten. Vielleicht überlebst du es… Wenn nicht, dann stirb wohl!«
Im gleichen Augenblick begann der Motor wieder zu tuckern. Mit Hohnlachen warf Amun-Re das Steuer herum und nahm Kurs auf die offene Adria.
»Entkommen. Er ist wieder entkommen!« murmelte Tina Berner bitter. »Doch wir leben noch, Sandra und ich. - Noch leben wir!« setzte sie hinzu. Denn das Ufer war unheimlich weit entfernt. Die Wendemanöver gegen Amun-Re hatten sie bis auf die Höhe des Dogenpalastes getrieben.
Und dort trieben die dramatischen Ereignisse ihrem Höhepunkt entgegen .
***
»Es gelingt uns nicht, sie zu vernichten!« rief einer der Verteidiger, als er sah, daß sein Schwert den Körper eines Monsters durchdrang, ohne daß dieses in sich zusammenfiel. Gewiß war es für einen Augenblick außer Gefecht gesetzt. Aber es regenerierte sich mit teuflischer Schnelligkeit.
Dagegen begannen die Kräfte der Männer langsam zu erlahmen, während die Ungeheuer siegreich vordrangen. Saal für Saal wurden sie zurückgedrängt.
Im Sala dell Maggior Consilio, dem Saal des großen Rates, hatte sich die letzte Front aufgebaut. In vorderster Linie standen Professor Zamorra und Pater Aurelian. Ihnen zur Seite hatte sich Carsten Möbius eingereiht, der neben dem Langschwert in der Rechten in der Linken noch ein seltsam geformtes Kurzschwert hielt.
Was es mit dieser Waffe auf sich hatte, merkte Zamorra in dem Moment, wo er den Angriff von zwei Monstern gleichzeitig abzuwehren suchte. Während Gwaiyur eine der Bestien voll erwischte, gelang es dem anderen Ungeheuer, mit seiner Pranke über Zamorras Arm zu fahren und ihm die Elbenklinge aus der Hand zu schlagen. Entgeistert stand der Meister des Übersinnlichen der, Bestie waffenlos gegenüber. Schon legten sich die Pranken des Monsters um seine Kehle.
In diesem Moment erklang ein heller, singender Ton. Bevor die Bestie Zamorra ergreifen konnte, wurde sie halb herumgerissen. In ihrer Brust steckte ein dürrer Bolzen. Hinter der Klinge des kleinen Schwertes, das Carsten Möbius führte, war eine Sehne verborgen, welche die seltsame Waffe zu einer kleinen Armbrust machte. Ein Meisterwerk mittelalterlicher Waffentechnik. Carsten Möbius hatte gewußt, daß man Dinge dieser Art immer in der Hinterhand haben sollte.
Doch das alles konnte nur ein Aufschub sein. Denn die Monster drangen weiter vor. Nur Aurelian konnte sie wirkungsvoll abwehren, wenn er eine der Bestien mit dem Amulett und dem Brustschild gemeinsam berührte.
»Was sollen wir tun, Signori?« fragte einer der verzweifelt mit dem Schwert um sich schlagenden Italiener. »Wir wollen nicht sterben!«
»Flieht!« befahl Zamorra knapp zwischen zwei Schwertschlägen. »Wir halten sie auf. Beeilt euch…!«
»Die Eingänge sind besetzt. Die Ungeheuer sind überall!« jammerte ein anderer Mann.
»Geht hinter uns!« befahl Aurelian. »Sie wollen nur uns haben!«
»Nein, mir nach!« übernahm Carsten Möbius das Kommando. »Wir flüchten über die Seufzerbrücke in die alten Verliese. Die Brücke ist selbst für einen Mann leicht zu verteidigen. Laßt sehen, wie sie da durchkommen.«
»Ich habe einen Plan, Carsten!« erklärte Zamorra. »Traust du dir zu, mit Gwaiyur die Stellung zu halten?« Carsten Möbius nickte befremdet.
»Das ist gut!« erläuterte Zamorra seinen Plan. »Denn da sie auf Befehl von Amun-Re hauptsächlich hinter uns her sind, werden wir sie auf uns ziehen. Was noch hier verbleibt, kannst du mit dem Schwert der Gewalten vernichten.«
»Und ihr?« wollte Carsten Möbius wissen.
»Wir nehmen ein Bad!« erklärte Professor Zamorra und vergewisserte sich mit einem Blick aus dem kleinen Fenster, daß das Wasser der Adria bis an die Außenwand des Dogenpalastes schwappte.
»Wenn sie uns folgen, dann haben wir sie!« erkannte Aurelian die Absicht des Freundes. »Wir haben keine andere Wahl.«
Während Professor Zamorra dem Jungen das Schwert der Gewalten in die Hand drückte, sprang Aurelian bereits aus dem Fenster des Dogenpalastes. Eine kleine Wasserfontäne stieg auf, als er kerzengerade im Wasser aufkam. Mit kräftigen Schwimmstößen stieß er sich ab. Keine Sekunde zu früh. Denn schon kam Zamorras schwerer Körper herangesegelt.
Auch über Professor Zamorra schloß sich die Wasserflut.
Dann sprangen die Monster in ihr Verderben…
***
Carsten Möbius
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