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028 - Das Monster und die Schöne

028 - Das Monster und die Schöne

Titel: 028 - Das Monster und die Schöne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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sein können.
    »Warte, Tanja!« rief ich.
    Sie drehte sich um und schlenderte langsam näher.
    »Diese Frau sieht dir unglaublich ähnlich. Bist du das?«
    »Nein.« Tanja lächelte. »Das bin nicht ich. Das ist …«
    »Wer?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Ich beugte mich vor. Unter dem Bild befand sich eine kleine Tafel, auf der stand: Olga von Lopatin, 1752-1772. Ich erinnerte mich an die Legende, die der Alte gestern erzählt hatte. Da war die Rede von einem Grafen gewesen, dessen Schloß in unmittelbarer Nähe des Dorfes gestanden hatte. Außerdem war die Tochter des Grafen erwähnt worden, die vom Monster gefangengehalten wurde. Das Schloß hatte ich gefunden und dazu das Bild einer jungen Frau, die Tanja verblüffend ähnlich sah. Solche Zufälle gab es einfach nicht.
    Ich studierte das Bild ganz genau. Es gab einige Unterschiede zwischen Olga Lopatin und Tanja. Olgas Gesicht war zarter, das blonde Haar dunkler, und die Augen waren hellblau, während Tanja fast schwarze Augen hatte.
    »Ist diese Olga Lopatin eine Vorfahrin von dir, Tanja?«
    »Vielleicht.«
    »Zum Teufel«, brüllte ich. »Jetzt reicht es mir aber. Ich will endlich eine vernünftige Antwort bekommen. Wie ist dein Nachname?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Hast du vielleicht auch dein Gedächtnis verloren?« fragte ich sarkastisch.
    Sie hob die Schultern. »Ich kann mich an vieles nicht erinnern«, gestand sie leise. »Und ich will es auch gar nicht. Das ist alles unwesentlich. Was zählt, ist der Augenblick. Die Vergangenheit ist unwichtig.«
    Ich wollte nur eines: möglichst rasch aus diesem Schloß heraus. »Laß uns gehen.«
    »Nein!« sagte sie mit schriller Stimme. »Ich muß dir noch so viel zeigen.«
    Widerstrebend folgte ich ihr. Wir schritten lange, düstere Gänge entlang und stiegen unzählige Stufen hinauf und hinab. Ich hatte nach einigen Minuten jegliche Orientierung verloren.
    Sie zeigte mir ein halbes Dutzend prunkvoll eingerichteter Räume, die mich herzlich wenig interessierten.
    »Dieses Zimmer mag ich besonders«, sagte sie schließlich und öffnete eine schmale Tür.
    Irgend etwas hielt mich zurück. Ich wollte nicht eintreten. Es war, als würde etwas Unheimliches in dem kleinen, ganz in Blau gehaltenen Raum hausen.
    »Komm, Dorian!« säuselte sie. Ihre Stimme klang verändert. Es war ein süßes Locken.
    Ich trat über die Türschwelle und blieb stehen. Tanja sah mich aus großen Augen an. Sie schlug die Hände zusammen. Wieder kam sie mir wie ein kleines Mädchen vor.
    »Ist es nicht hübsch?«
    Ich nickte widerwillig. Es war tatsächlich recht hübsch. Eine Wand wurde von zierlichen Schränken eingenommen. Gegenüber befanden sich zwei winzige Fenster mit bunten Scheiben, rechts daneben stand ein breites Himmelbett.
    »Setz dich, Dorian!« sagte sie eifrig und zog mich zu einem winzigen Tischchen, vor dem zwei kleine Stühle standen.
    Ich nahm Platz.
    »Ich bin in ein paar Minuten zurück«, sagte Tanja aufgeregt. Ihre Wangen waren rosig geworden. Sie sah wunderschön aus. Sie rannte aus dem Zimmer, und ich zündete mir eine Zigarette an. Während ich rauchte, dachte ich nach.
    Wenn ich von der Voraussetzung ausging, daß die Legende über den Wijsch stimmte, dann mußte Tanja die Verbündete des Monsters sein.
    Im Zimmer war es sehr warm. Ich schlüpfte aus dem Mantel, nahm die Kappe ab, suchte nach einem Aschenbecher, fand aber keinen. Als ich die Tür zum Korridor öffnete, prallte ich zurück. Vor mir war nichts – kein Gang, keine Tür. Ich warf die Zigarette hinaus; sie verschwand spurlos.
    Meine Augen tränten, und ich spürte ein Kratzen im Hals. Ich wich etwas zurück, und in diesem Augenblick trat Tanja ins Zimmer. Sie hielt zwei bauchige Weingläser in der rechten Hand, und in der linken eine in Spinnweben gehüllte Flasche.
    Ich kniff die Augen zusammen. Jetzt war der Korridor wieder zu sehen. Hatte ich Halluzinationen?
    »Ist etwas?« fragte Tanja. »Du siehst so merkwürdig drein?«
    »Alles in Ordnung«, sagte ich und setzte mich.
    Sie stellte die Gläser ab und schenkte ein. Der Wein schimmerte golden. Wir prosteten uns zu, und ich trank einen Schluck. Der Wein hatte ein volles Aroma und rann wie Öl die Kehle hinunter. Ich stellte das Glas ab und sah Tanja an. Vor meinen Augen flimmerte es. Mein Körper schien durchsichtig zu werden. Alles lief wie im Zeitraffer vor mir ab. Die Bilder wechselten so rasch, daß ich sie gar nicht richtig verarbeiten konnte. Ich sah ein halbes Dutzend Frauen, die im Laufe der

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