0281 - Ein Spitzel zieht die falsche Karte
und gar nicht. Ich liebe die freie Natur.«
»Viehhändler, Was?« fragte der junge Mann.
»Genau«, nickte ich. »Auch ’nen Whisky?«
»Gern«,, sagte der junge Bursche. »Übrigens, ich heiße Realers.«
»McNoy«, stellte ich mich vor.
»Haben Sie schon gespielt?« fragte der Junge.
»No.«
»Erst ein bißchen warm werden, was? Ginge mir auch so, wenn ich überhaupt zum Spielen hierher käme.«
»Aus welchem Grund kann man sonst her kommen?« brummte ich und paffte eine neue Wolke aus meiner Zigarre.
»Weil man hier sein Geld verdient«, sagte der Junge. »Wie ich.«
Ich grinste.
»Kriegen Sie es bezahlt, wenn Sie mit den Gästen trinken?«
»Das nun nicht gerade. Ich habe mit George — das ist der Lange da hinten im Würfelzimmer, der mit den Sommersprossen— ein bißchen aufzupassen, daß alles friedlich bleibt. Wissen Sie, manche Leute sind widerlich, wenn sie verlieren.«
»Wer nicht verlieren kann, darf nicht spielen«, sagte ich. »Gewinnen kann jeder.«
»Richtig!« stimmte der Junge zu. »Oh, da ist er ja wieder!«
»Wer?« fragte ich.
Mit einer leichten Kopfbewegung deutete er auf einen Mann, der gerade zur Tür hereingekommen war. Der Ankömmling mochte an die vierzig Jahre alt sein, hatte ein kantiges Gesicht und trug einen Smoking, der nicht sehr modisch wirkte. Es mußte am Schnitt oder an der Machart liegen, es war schwer zu sagen. Der Mann erweckte in diesem Anzug einen Eindruck von Unbeholfenheit.
»Ist was Besonderes an dem Kerl?« fragte ich.
Realers kippte den letzten Schluck aus seinem Whiskyglas. Ich bestellte zwei neue und prostete ihm stumm zu. Erst als wir das zweite Glas getrunken hatten, ging Realers auf meine Frage ein.
»Er fiel mir gestern abend auf. Es kommt mir vor, als ob der Bursche nach einem bestimmten System spielte.«
»Ach, das ist doch Unsinn! Es ist längst bewiesen, daß es für das Roulett kein System gibt, denke ich.«
»Mag sein. Aber es gibt immer wieder Leute, die trotzdem daran glauben, daß es eines geben müßte. Und manche bilden sich sogar ein, sie hätten es. Der Bursche da scheint dazu zu gehören. Er kam gestern abend mit einem Zettel. Ich weiß noch, daß er zum Abschluß dreimal auf Zero setzte, also auf Null.«
»Gewann er?«
»Ach was. Er verlor natürlich.«
»Dann bin ich gespannt, ob er heute wieder nach der Zettelmethode setzt«, sagte ich.
»Ich auch«, erwiderte Realers. »Tut mir leid, Sir, ich muß jetzt mal rüber in die beiden Kartenzimmer. Ich habe mich schon seit einer Stunde dort nicht mehr sehen lassen. Die Geschäftsleitung könnte es mir übelnehmen. Bis später mal!«
»So long!« nickte ich.
Realers schob ab. Ich nippte an meinem Glas, paffte an meiner Zigarre und beobachtete weiter den Spielbetrieb. Der Mann mit dem kantigen Gesicht hatte sich an den vordersten Rouletttisch gestellt und beobachtete das Spiel. Aber augenscheinlich hatte er noch keine Lust, sich daran zu beteiligen.
Nach einer Weile kam Realers plötzlich wieder auf mich zu. Er hatte einen Zettel in der Hand.
»Hier«, raunte er mir zu, »das sind die Zahlen, die der Kerl gestern gesetzt hat. Können Sie darin ein System erkennen?«
Er hielt mir den Zettel hin. Ich nahm ihn und sah mir die Zahlenreihe an. Sie lautete: 14 — 15 — 18 — 1 — 2 — 1 — 12 — 12 — 9 — 19 — 20 — 5 — 18 — 0 — 0 — 0.
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich verstehe nicht genug von Mathematik, als daß ich sagen könnte, ob ein System dahinter steckt oder nicht. Ich habe allerdings einen Bekannten, der versteht was von solchen Zahlenexperimenten.«
Realers wurde rot vor Eifer.
»Könnten Sie ihn nicht einmal bitten, nachzuprüfen, ob in dieser Zahlenreihe ein System steckt?« fragte er. »Wirklich, ich wäre Ihnen sehr dankbar. George hat die Zahlenreihe extra aufgeschrieben, weil er wissen wollte, ob der Mann mit einem System spielt. Sie können mich jeden Abend hier erreichen. Wirklich, Mister, ich wäre Ihnen sehr verbunden!«
Aus seinen Augen strahlte die besessene Hoffnung des kleinen Mannes, der dem großen Glück um jeden Preis auf die Spur kommen will. So blicken manche Leute auf den Rennplätzen, wenn sie zum Wettschalter gehen, andere, wenn sie ein Lotterielos kaufen. Ein bißchen rührte mich diese Hoffnung eines jungen Burschen, der wahrscheinlich aus den Slums von Bronx gekommen war und das große Geld verdienen wollte.
»Na schön«, sagte ich. »Gehen Sie den Zettel her. Aber ich glaube nicht, daß was dahinter
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