0281 - Ein Spitzel zieht die falsche Karte
geheimen Arbeiten einschließen können, nicht wahr?«
»Ja, das trifft zu. Ich hoffe, daß ich mit diesem Eingeständnis nicht schon einen Geheimnisverrat begehe.«
»Wir wissen sowieso darüber Bescheid. Nun passen Sie genau auf! Die Wächter im Hause sind angehalten, alle zwei Stunden einen Rundgang zu machen. Diese Rundgänge beginnen um acht Uhr abends. Der letzte findet früh um sechs statt.«
»Woher wissen Sie das?« staunte Handerson.
»Meine Güte«, sagte Martins, »man hat eben so seine Quellen. Unterbrechen Sie mich doch nicht dauernd. Also: Morgen abend wird der Panzerschrank von Fulton nicht abgeschlossen sein.«
»Der Panzerschrank soll die ganze Nacht offenstehen?« rief Handerson erschrocken. »Aber wenn nun Einbrecher —«
»Lassen Sie mich endlich mal ausreden, zum Teufel noch mal!« rief Martins wütend. »Der Panzerschrank in Fultons Zimmer, in dem die Schlüssel für all die anderen kleineren Safes der Wissenschaftler liegen, wird morgen nacht zwar mit dem gewöhnlichen Schlüssel abgeschlossen sein, aber das Kombinationsschloß wird nicht verstellt sein. Der zweite Riegel, der vom Kombinationsschloß gesichert wird, der wird also offenbleiben. Können Sie folgen?«
»Der Panzerschrank wäre demnach nur halb verschlossen«, nickte Handerson. »Und man könnte ihn öffnen, ohne das Kombinationsschloß einstellen zu müssen, wenn man nur den normalen Schlüssel hätte.«
»Hier ist der Schlüssel«, sagte Martins und wickelte aus seinem Taschentuch einen blitzenden Safeschlüssel aus.
Handerson erschrak. Er fuhr zurück und starrte kreidebleich auf den blanken Metallgegenstand.
»Wo — wo haben Sie —«
»Halten Sie den Mund. Sie werden morgen nacht mit diesem Schlüssel Fultons Panzerschrank öffnen und alle Safeschlüssel herausnehmen. Danach werden Sie der Reihe nach alle Safes öffnen und das wichtigste Forschungsmaterial herausnehmen und abfatografieren. Die Mikrokamera mit zehn Filmrollen bekommen Sie von mir ebenfalls. Sie haben eine ganze Nacht Zeit bis früh um sechs. Haben wir uns verstanden?«
Handerson war blaß wie eine Kalkwand.
»Sie verlangen von mir, daß ich mein Vaterland verraten soll?« fragte er tonlos. »Nein, nein und abermals nein. Das werde ich nicht tun. Niemals und unter keinen Umständen!«
Martins zog ein Foto aus seiner Rocktasche. Er schob es über den Tisch.
»Ihre Tochter!« sagte er. »Noch geht es ihr gut. Aber was glauben Sie, was mit dem Mädchen geschieht, wenn Sie nicht tun, was wir wollen?«
***
Natürlich gab es für die Spieler auch etwas zu trinken. In jedem Raum war in einer Ecke eine Bar aufgebaut, wo man die gängigsten Getränke haben konnte. Gegen Bezahlung, versteht sich. Die Preise waren nicht übermäßig hoch, aber sie mußten dennoch einen ansehnlichen Gewinn erbringen, denn dieses ›Unternehmen‹ bezahlte keine Steuern. Ich bummelte erst einmal durch alle Räumlichkeiten, dann stellte ich mich an die Bar in jenem Zimmer, wo zwei Roulette-Tische aufgebaut waren.
Insgesamt waren an die vierzig Leute anwesend. Zum größten Teil Männer, aber es gab auch ungefähr zehn Frauen und Mädchen. Die weiblichen Besucher dieser Spielhölle standen alle um die beiden Roulette-Tische herum, und zu ihnen hatten sich acht oder neun Männer gesellt. Die anderen verteilten sich auf die übrigen Zimmer, wo gepokert oder gewürfelt wurde.
Hinter der Bar stand ein glatzköpfiger Mann von etwa sechzig Jahren. Er trug einen grünen Celluloid-Schirm an der Stirn, um seine Augen gegen das grelle Licht der vielen Lampen zu schützen. Über sein weißes Hemd spannten sich dünne Hosenträger von roter Farbe.
»Was zu trinken, Sir?« fragte er unterwürfig.
»Ja«, brummte ich. »Einen ordentlichen Bourbon auf Eis.«
»Ja, Sir. Einfach oder doppelt?«
»Doppelt. Kein Soda.«
Ich bekam meinen Whisky und nahm das Glas in die Hand. Ein jüngerer Mann trat heran, der nicht viel älter als höchstens dreiundzwanzig sein konnte. Er trug einen dunkelblauen Anzug und statt einer Krawatte einen dünnen Faden, der fast wie ein Schnürsenkel aussah, zu einer Schleife gebunden.
»Hallo«, sagte er leutselig. »Sie sind neu hier, was? Hab’ Sie noch nie gesehen!«
»Ich bin ja auch nicht aus New York«, sagte ich. »Pfui Teufel, ich möcht’s auch nicht sein.«
»Haben Sie was gegen die Stadt?«
»Nicht gegen New York. Gegen Städte im allgemeinen. Überall stinkt’s nach Auspuffgasen und tausenderlei anderem Zeugs. Das ist nicht mein Fall. Ganz
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