0283 - Im Banne der grauen Schatten
ein Muster von Chef oder auch nur ein leicht erträglicher Mensch gewesen wäre, das wäre erstunken und erlogen. Und trotzdem geht es mir nahe. Irgendwie war etwas an ihm dran, was die Leute um ihn rum faszinierte. Es tut mir leid, wirklich, es tut mir leid. Im Grunde war er vielleicht gar nicht so übel.«
Wir steckten uns Zigaretten an und rauchten eine Weile schweigend. Hillery starrte düster vor sich hin.
Nach einer Weile nahm Phil das Gespräch wieder auf.
»Sie können sich wirklich nicht denken, warum man Ballister umgebracht hat?«, fragte er.
Hillery schrak aus seinen Gedanken auf. Phil wiederholte seine Frage, da Hillery sie offenbar nicht verstanden hatte.
»Keine Ahnung«, brummte der Kameramann. »Aber es gibt natürlich einen ganzen Haufen von Möglichkeiten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie wissen doch, was für Sendungen Ballister produziert hat?«
»Ja.«
»Na, da kommen Sie bei jeder einzelnen Sendung auf ein halbes Dutzend Leute, die Ballister so madiggemacht hat, dass das halbe Dutzend geradezu in ihn verliebt war. Von denen kann jeder Einzelne sich gerächt haben.«
»Ein bisschen viele Mörder zur Auswahl«, brummte ich. »Haben Sie nicht was Konkreteres anzubieten, Hillery?«
»Leider nein«, brummte er mürrisch. »Ich habe eben schon darüber nachgedacht, wer es gewesen sein könnte. Aber mir erscheint jeder gleichermaßen verdächtig und unverdächtig. Solange ich es mir nur so theoretisch vorstelle, kann es jeder gewesen sein, den Ballister angegriffen hat. Wenn ich aber die Gesichter so an meinem Auge vorbeiziehen lasse, halte ich es der Reihe nach bei jedem für unwahrscheinlich.«
»Nur die wenigsten Mörder tun uns den Gefallen, wie ein Mörder auszusehen«, wandte ich ein. »Nach dem Äußeren können Sie nicht gehen.«
»Wahrscheinlich nicht«, gab er zu. »Wie funktioniert denn das überhaupt mit der Sprengladung?«
»Die Ladung sitzt in einem Blumenkarton, unter den Blumen versteckt. Sobald man den Deckel abhöben will, geht sie in die Luft.«
»Deshalb sprachen Sie vorhin von Blumen. Das sind ja heitere Aussichten.«
»Was meinen Sie?«, fragte Phil.
Hillery zuckte die Achseln. »Ich dachte nur, dass es die Burschen bei mir doch wahrscheinlich wieder versuchen werden, nicht wahr? Oder glauben Sie nicht?«
Über diese Seite der Sache hatten wir noch nicht nachgedacht. Es war jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass immerhin die von Hillery ausgesprochene Möglichkeit bestand.
»Sobald die Killer wissen, dass es nicht geklappt hat, werden sie sich vielleicht nach einer zweiten Möglichkeit umsehen«, gab ich zu. »Es kommt drauf an… Man kann das nicht mit Sicherheit Vorhersagen. Jedenfalls würde ich an Ihrer Stelle vorsichtig sein und heute Nacht in einem Hotel schlafen.«
»Und inzwischen jagen sie den Rest meiner Einrichtung zum Teufel!«
»Sessel kann man kaufen«, meinte ich achselzuckend. »Von einem Kopf habe ich das noch nicht gehört.«
»Das verstehe ich sogar. Haben Sie einen Wagen in der Nähe?«
»Ja. Allerdings ist es ein Sportwagen, der nur einen Notsitz hat. Wenn Sie damit vorliebnehmen wollen?«
»Warum nicht. Fahren Sie rüber nach Manhattan?«
»Ja. Wollen Sie mit?«
»Hm… ja. Ich werde in der Nähe vom Times Square übernachten. Der Nachtportier in dem Hotel ist ein ehemaliger Kriegskamerad von mir. Der wird die Augen aufhalten, wenn ich ihm sage, was passiert ist.«
»Das ist gut«, nickte ich. »Packen Sie ein, was Sie brauchen.«
»Okay.«
Er verschwand in einem der Nebenzimmer. Schon wenige Minuten später kam er mit einer kleinen Reisetasche wieder.
»Bevor wir gehen, Hillery«, fragte ich wie nebenbei. »Wo waren Sie eigentlich heute früh gegen halb zehn?«
Er stutzte. Dann pressten sich seine Lippen hart aufeinander.
»Wenn Sie mich da heute Nachmittag nicht rausgehauen hätten, würde ich Ihnen jetzt eine auf die neugierige Nase setzen, G-man. Ich habe Ballister nicht umgebracht. Und darauf lief ja wohl Ihre Frage hinaus. Ballister war mein Boss, aber ein Boss, der mich gut bezahlte. Von mir aus hätten wir noch zwanzig Jahre oder länger Zusammenarbeiten können.«
»Glauben Sie, dass Sie jetzt meine Frage beantwortet'haben?«, erkundigte ich mich mit lächelnder Geduld.
»So hartnäckig fragen sonst eigentlich nur kleine Kinder«, meinte er mit einem schwachen Grinsen. »Aber ich habe nichts zu verbergen, G-man. Bis gegen elf habe ich geschlafen.«
»Gibt es dafür Zeugen?«
»Nicht pausenlos, denn meine Frau
Weitere Kostenlose Bücher