0283 - Im Banne der grauen Schatten
ist unterwegs mit einer Reisegesellschaft, wie Sie vielleicht schon irgendwo gehört haben werden. Aber um neun kam Mrs. Richards, die Frau des Hausmeisters. Sie kümmert sich ein bisschen um meine Mahlzeiten, wenn meine Frau nicht zu Hause ist. Sie brachte mir das Frühstückstablett.«
»Und wann haben Sie das Haus verlassen?«
»Irgendwann zwischen halb zwölf und Viertel nach zwölf. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, und ich weiß beim besten Willen nicht mehr, ob ich heute früh besonders langsam oder besonders schnell war.«
»Warum haben Sie, als Sie gingen, das Treppenhaus und nicht den Fahrstuhl benutzt?«
»Wie kommen Sie denn auf eine so ausgefallene Idee? Ich bin selbstverständlich mit dem Lift hinuntergefahren?«
»Dann müsste das Fahrstuhlgirl vom Dienst Sie gesehen haben?«
»Natürlich hat sie mich gesehen. So klein bin ich nicht, dass ich leicht zu übersehen wäre.«
An die Apartment-Tür, die Hillery einfach gegen das Loch gelehnt hatte, das die Explosion gerissen hatte, klopfte es. Wir hoben überrascht die Köpfe.
»Das wird die Frau vom Hausmeister sein«, meinte Hillery. »Sie versprach mir, hier ein bisschen nach dem Rechten zu sehen, sobald sie ihre Kinder vom Fernsehen weg und ins Bett gebracht hat. Ja, herein!«
Es sah komisch genug aus, wie die Tür beiseite gerückt wurde und Handy Lords erschien, den wir bei van Geeren im Büro kennengelernt hatten.
»Himmel, wie sieht es denn hier aus?«, fragte er verdutzt und schob sich den Hut ins Genick. »Ist hier eine Bombe explodiert?«
»Sie könnten Hellseher werden, Handy«, erwiderte ich. »Haargenau das ist passiert.«
»Ich werd verrückt!«, staunte der blutjunge Detective aus der Mordabteilung.
»Keine leeren Versprechungen«, bat Phil. »Was ist denn los, Handy? Oder treibt Sie die pure Langeweile herüber nach Jersey?«
»Dann wüsste ich was Besseres als ausgerechnet Jersey. Der Dicke schickt mich. Er hat zwanzigmal versucht, hier anzurufen.«
Ich sah Hillery fragend an. Der Kameramann zuckte die Achseln.
»Vom Telefon war nur noch ein bisschen Draht übrig«, sagte er lakonisch.
»Deshalb«, nickte ich. »Was gibt es denn, Handy? Irgendwas Besonderes?«
»Oh, ich denke schon«, nickte Handy Lords. Sein Gesicht glühte auf einmal vor Stolz. »Ich habe nämlich den Kerl ausfindig gemacht, der heute früh die Rosen für Ballister kaufte. Wir haben ihn inzwischen schon festgenommen. Van Geeren lässt Ihnen sagen, dass er Sie nicht mehr braucht.«
***
Natürlich interessiert man sich für die Lösung eines Kriminalfalls, auch wenn man sie nicht selbst herbeigeführt hat. Wir ließen uns also von Handy rasch erzählen, wen sie festgenommen hatten, welche Verdachtsmomente gegen ihn sprachen und welches Motiv der Mann wahrscheinlich gehabt hatte. Aber so interessiert waren wir nun wieder nicht, dass wir uns die Nacht um die Ohren geschlagen hätten, bloß um mal sein Gesicht zu sehen. Wir hoben uns das für den nächsten Vormittag auf, denn allmählich war es Zeit geworden, ins Bett zu gehen.
Wir verabschiedeten uns von Handy, der Hillery mit zu van Geeren bringen sollte, und fuhren durch den Hollandtunnel wieder hinüber nach Manhattan.
»Endlich wieder zu Hause«, stöhnte Phil gähnend, als wir aus der Tunneleinfahrt herauskamen.
»Du tust ja grade so, als wären wir ein Jahr weg gewesen.«
»Es kam mir auch beinahe so vor«, erwiderte Phil. »Mir hängt dieser Betonkasten mit seinen Straßenschluchten oft genug zum Hals heraus, aber sobald ich weg bin, fehlt er mir eben doch.«
»Ein Glück, dass ich meistens bei dir bin«, sagte ich. »Sonst würdest du womöglich noch in der Fremde vor Heimweh umkommen, Kleiner.«
In diesem Stil verging der Weg bis zu der Ecke, wo ich Phil gewöhnlich absetze. Wir vereinbarten, dass und wann ich ihn am Morgen abholen sollte. Danach fuhr ich nach Hause. Ich kippte mir drei Finger hoch Whisky in ein Glas, tat zwei Eiswürfel dazu und freute mich auf den Augenblick, wo ich das Glas im Bett in aller Ruhe austrinken würde. Ich stellte es also auf den Nachttisch und begab mich ins Badezimmer.
Zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten später war der Whisky seinen vorbestimmten Weg gegangen, und ich war dicht daran, einzuschlafen.
Da fing das Telefon an zu lärmen.
Zuerst sagte ich mir, dass auch ein G-man ein Mensch wäre, ein Recht auf seinen Schlaf hätte und so weiter. Danach kamen die zaghaften Zweifel, dass aber doch irgendetwas ganz besonders Schlimmes passiert sein
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