0284 - Der Henker und sein Millionär
Ich brachte Noel zu seinem Dienstwagen zurück, der noch in der 131. Straße stand.
Er stieg aus und beugte sich zum Fenster herunter. »Was wollen Sie jetzt machen, Jerry?«
»Bis zehn Uhr vormittags warten, Noel. Sind Castor und Charly Kitt bis dahin nicht aufgetaucht, muss Mr. High einen Hausdurchsuchungsbefehl für Castors Wohnung erwirken. Außerdem werden wir diesen Mr. Pinner aufspüren und ihm ein paar verdammt unangenehme Fragen stellen. Sie, Noel, reichen mir bitte Ihren Bericht so schnell wie möglich rein,ja?«
»All right, Jerry! Bis nachher.«
Ich winkte ihm noch einmal zu. Dann fuhr ich los. In unserem Office angekommen, legte ich für Phil einen Zettel auf den Tisch. Dann legte ich mich im Bereitschaftsraum aufs Ohr.
***
Jemand schüttelte mich. Ich schlug die Augen auf und erkannte Phil.
»Hallo, Jerry! Ich sollte dich um 9 Uhr dreißig wecken. Es ist soweit.«
»Ist ein Anruf gekommen, Phil?«
»Von dieser Mrs. Kitt? No, Jerry.«
Wir gingen zum Office hinüber. Dort gab ich ihm erst einmal einen Überblick über die Ereignisse der letzten Nacht.
»Glaubst du, der Tote aus dem Pontiac ist dieser Castor?«
»Davon bin ich fest überzeugt, Phil. Die Frage, die mich im Augenblick am meisten interessiert, ist jedoch, ob Charly Kitt noch lebt. Überlege einmal selbst, Phil! Castor holt den Jungen am gestrigen Abend mit seinem Wagen ab. Beide wollen zu einer Versammlung fahren. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um ein Treffen dieser Bruderschaft handelt. Wenige Stunden später findet die Polizei auf dem Verdeck eines gestohlenen Pontiac die sterblichen Überreste eines Mannes. Auf seinem Rücken findet man eine Tätowierung. Eigenartigerweise handelt es sich um einen Namen mit Adresse. Wir suchen die Wohnung auf, aber Castor ist nicht im Haus. Den Aussagen dieser Mrs. Abix zufolge, die nebenan wohnt, rechnete Castor damit, dass ihm etwas zustoßen könnte. Er will sogar vorsorglich einen Brief schreiben, den die Abix später zur Polizei bringen soll. So betrachtet, kann Lieutenant Russells Überlegung, Castor habe die Tätowierung nur vornehmen lassen, um eine Identifizierung zu ermöglichen, durchaus zutreffen. Dazu muss er jedoch gewusst haben, dass man ihn womöglich enthauptet. Ist das klar?«
Phil nickte. »Castor muss eine beunruhigende Entdeckung gemacht haben, Jerry. Er ging den Dingen nach und kam dabei dem Mörder ins Gehege. Der Mörder schlägt sofort erbarmungslos zu. Er tötet ihn auf die gleiche Art, in der, außer Frederick Mashott, auch noch ein anderer bisher noch unbekannter Mann umgebracht wurde. Du befürchtest nun, dass Castor auch seinen farbigen Freund Charly eingeweiht hat. Da auch der seit gestern verschwunden ist, müssen wir also das Schlimmste befürchten.«
»Genauso ist es, Phil.«
Das'Telefon läutete. Phil, der näher am Apparat saß, nahm den Hörer ab. Er lauschte einen Moment und deckte dann die Hand über die Sprechmuschel.
»Mashotts Testamentsvollstrecker«, flüsterte er.
»Hallo, Mr. Beuler«, sagte er dann wieder laut. »Ich höre!«
»Wann?«, hörte ich Phil sagen. »All right, Mr. Beuler. Wir notieren uns den Termin. Vielen Dank für Ihren Anruf.«
Er legte auf und wandte sich mir zu. »Benjamin Beuler ist der Notar, bei dem Mashott das Zweittestament hinterlegte. Er hätte den Millionär zwar darauf hingewiesen, dass er sich doch mit der Polizei in Verbindung setzen müsse, da er als vermisst gelte. Mashott habe darauf nur gesagt, in ein paar Tagen würde der Schleier über den Grund seines Verschwindens gelüftet werden.«
»Wann wurde das Testament aufgesetzt?«
»Am 6. April.«
Ich schlug im Kalender nach. »Das war am Donnerstag der vergangenen Woche. Er wurde bereits am 9. oder 10. April ermordet. Also drei bis vier Tage nach seinem Besuch bei Benjamin Beuler. Was hältst du davon?«
»Er muss seinen Tod geahnt haben, wie Castor. Ob er auch etwas mit der Bruderschaft zu tun hatte?«
»Keine Ahnung, Phil. Wo kann ein Mörder ein derart grausames Verbrechen begehen, Phil?«
»Auf keinen Fall auf der Straße, Jerry. Freiwillig legt kein Mensch seinen Kopf auf den Richtblock. Der Mörder muss seine Opfer überwältigt haben, um sie anschließend zu fesseln und zu knebeln. Dänn erst kann er sie zum Tatort gebracht haben. Ich tippe auf ein abgelegenes Haus.«
Ich spielte in Gedanken mit dem Brieföffner. »Warum bloß diese Dramatisierung der Morde, Phil? Im Allgemeinen müsste der Mörder doch daran interessiert sein, seine Opfer
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