0284 - Gehirn-Gespenster
Merlins Stern noch nie gegen mich gearbeitet -nicht einmal, als Leonardo es in seiner direkten Gewalt hatte.«
»Hm«, machte Nicole.
»Es hat mir schlagartig alle Kraft entzogen, als ich diesen Fremden berührte«, sagte Zamorra. »Es war wie ein Schock. Als ob mir jemand mit einem Hammer auf den Kopf schlägt.«
»Er hat sich deine Kraft zu eigen gemacht?«
»Vielleicht ist es so«, überlegte Zamorra. »Aber ich begreife nicht, wie er das gemacht hat. Dabei muß er auch noch magisch tot gewesen sein. Ich konnte in keiner Sekunde seine Gedanken lesen oder seine Anwesenheit überhaupt telepathisch wahrnehmen. Auf dem Para-Sektor existiert er überhaupt nicht. Trotzdem war er körperlich da.«
»Und diese Gestalt auf dem zusammengebrochenen Balkon… Konntest du sie irgendwie anmessen?«
»Wie denn?« fragte Zamorra bitter. »Dafür blieb doch gar keine Zeit… Wenn ich nur wüßte, was hier gespielt wird, dann wäre mir entschieden wohler. Ich begreif’s nicht… Und auch nicht, welche Rolle dieser Tendyke dabei spielt. Denn um ihn ging es ja in dem Streit.«
»Wohl kaum«, widersprach Nicole. »Ich tippe eher, daß Tendyke und dieser Blitzeschleuderer auf dem Balkon irgendwie zusammengehören und daß der Streit zwischen Tendyke und dem Fremden sich um das Mädchen drehte. Hm… Aber was dahintersteckt, möchte ich auch gern wissen.«
»Wir auch«, erklang eine Stimme hinter ihnen. Zamorra drehte den Kopf und erkannte den Araber. »Ich bin Mehek Ebrahim«, erklärte dieser und zeigte seine Ausweismarke. »Ich gehöre zum Hotelsicherheitsdienst.«
»In leitender Stellung?«
»Vielleicht.« Der Araber lächelte. »Ich habe mitgehört, was Sie sprachen. Verzeihen Sie. Aber ich ersehe daraus, daß Sie fast so unbeteiligt sind wie jeder andere. Dennoch: Kennen Sie die Beteiligten? Die beiden Männer und das Mädchen?«
»Den Mann haben wir erst hier kennengelernt. Rob Tendyke, der aussieht wie ein Cowboy«, sagte Zamorra. »Scheint ein Abenteurer zu sein, die anderen… Unbekannt.«
»Sie sind Kongreßteilnehmer?«
»Ja. Professor Zamorra aus Frankreich.«
»Oh, Ihr Vortrag morgen nachmittag wird sicherlich Beachtung finden«, sagte der Araber höflich. »Aber sagen Ihnen die Namen Patsy Blake und Jimmy Kent etwas?«
»Nein. Waren das die beiden anderen?«
»Den Beschreibungen nach ja. Mit beiden hatten wir bereits heute in einer Angelegenheit zu tun, über die Stillschweigen angesetzt wurde. Doch ich kann Ihnen raten, von beiden die Hände zu lassen. Unsere Ermittlungen laufen noch.«
»Verbrecher?«
»Nicht in dem Sinne. Es ist ein hartes Wort, das ich mich auszusprechen scheue. Sagen wir einmal… undurchsichtig. Sie verstehen? Wenn Sie sich von den beiden fernhalten, stören Sie nicht meine Ermittlungen. Ich danke Ihnen. Sollte noch etwas anliegen, darf ich mich sicher bei Ihnen vorstellig machen.«
»Wenn’s nicht gerade zur Schlafzeit ist«, brummte Zamorra.
»Wir bedauern den Zwischenfall und die Unannehmlichkeiten«, sagte der Araber höflich. »Wir werden uns bemühen, Sie dafür zu entschädigen, und wünschen Ihnen weiterhin einen störungsfreien, angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.«
»Der ist ja aalglatt«, murmelte Zamorra, als der Araber außer Hörweite war. »Ich möchte ihn nicht zum Gegner haben.«
»Aber immerhin ist er höflich. Fast zu höflich für einen Privatpolizisten. Ob er mal in China gearbeitet hat? Oder in Japan?«
»Warum?«
»Weil die doch die Höflichkeit in ähnlicher Form überzüchtet haben wie er. Ein Asiate lächelt noch, wenn er dir die Kehle durchschneidet. Dieser Knabe ist vom gleichen Schlag. Diese katzenfalsche Höflichkeit mag ich nicht. Liebling, bist du wieder einigermaßen fit?«
»Sobald du mir einen Kuß gegeben hast - ja.«
Nicole befolgte diese Aufforderung nur zu gern.
Da begann das Amulett, das bisher ruhig auf dem Tisch gelegen hatte, jäh zu vibrieren und zu schweben!
***
Roger Blake verließ das Gebäude und trat auf die Freifläche hinaus. Von einem Moment zum anderen war der rasende Schmerz wieder da. Er stöhnte auf und berührte die Schläfen mit den Händen. »O nein… Nicht schon wieder…«
»Ist Ihnen nicht gut, Sir?« fragte ein Hotelbediensteter neben ihm. »Kann ich etwas für Sie tun?«
Roger Blake starrte ihn eine Weile an, dann nickte er. »Vielleicht. Verschaffen Sie mir ein Mittel gegen Kopfschmerzen.« Er hatte zwar eine Abneigung gegen Medikamente jeglicher Art, aber irgendwann überschritt alles die Grenzen
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