0285 - In den Tiefen von Loch Ness
Sofort stürmte Lady Joanna wieder auf ihn zu. Aber Sir Glenn packte zu, erwischte sie am Arm und zerrte sein zeterndes Prachtstück mit sich über den Korridor.
»Sie können auch gehen, John«, wandte sich Roderick an den Butler. »Sie sehen ja, daß alles vorbei ist.«
»Es ist noch längst nicht alles vorbei«, sagte Gryf. »Wir haben da immer noch das Problem mit Nessy. Und ich begreife auch die ganzen Zusammenhänge noch nicht so recht. Vielleicht sollten wir im gemeinsamen Gespräch versuchen, einen Plan zu schmieden. Wir müssen Nessy auf jeden Fall helfen.«
Zamorra nickte.
»Nein, du nicht«, sagte Gryf. »Du hast Nessy mit dem Amulett schon einmal ungewollt geschadet. Das ist eine Sache, bei der ich deshalb doch nur deine Rückendeckung annehmen kann. Schade. Aber in vorderster Front stehe ich nun doch allein.«
»Es sei denn, man kann Merlins Stern beibringen, daß er wieder Befehlen zu gehorchen hat wie früher.«
»Erst einmal müssen wir klären, warum Nessy nach so langer Zeit erst wieder aktiv wird. Und wie es Leonardo gelingen konnte, sie in seine Gewalt zu zwingen«, warf Nicole ein.
Angely MacRaven lehnte sich an Gryf.
»Vielleicht kann unser Vater etwas zur Klärung dieses Problems sagen«, sagte sie. »Die Frage ist nur, ob er es tut. Er spielt den Geheimnisvollen. Da muß irgendwann einmal etwas vorgefallen sein, das eine Bindung zwischen Nessy und ihm schuf. Es muß etwas Unangenehmes gewesen sein. Denn er fürchtet wohl Nessys Rache, wenn ich das alles richtig deute.«
»Dann sollten wir den alten Herrn mal interviewen«, schlug Gryf vor. »Noch wird er mit seinem Drachen nicht im Ehebett liegen und schlafen. Also auf, Leute, stören wir ihn.«
»Stop«, sagte Roderick. »Nicht mehr in dieser Nacht. Vater braucht auch mal seine Ruhe.«
»Aber wir müssen…«
»Sie müssen in dieser Nacht gar nichts mehr. Wir sind Ihnen allen zu Dank verpflichtet, aber sollten Sie es wagen, Vater jetzt noch einmal zu stören, werfe ich Sie persönlich wieder hinaus. Verstanden?«
»Sie sind der Herr im Haus«, sagte Gryf verärgert.
»Gib nach«, bat jetzt auch Angely. »Außerdem haben wir dann ein wenig mehr Zeit für uns beide.«
Nicole schmunzelte. »Du solltest das Angebot annehmen«, empfahl sie. »Du hast eine Schlacht gewonnen, bevor du begonnen hast zu kämpfen. Zamorra, haben wir beide noch etwas Besonderes vor heute abend?«
Er legte den Arm um ihre Taille. »Also gut, machen wir Pause bis morgen früh. Hoffentlich ist es dann nicht schon zu spät.« Er zwinkerte Gryf zu und der Druide verstand. Sie kannten sich beide lange genug und brauchten ihr Vorgehen nicht abzusprechen. Gryf wußte jetzt Bescheid.
Zamorra gab zum Schein nach. In Wirklichkeit würde er alles daran setzen, so rasch wie möglich die Lage zu klären. Wenn Leonardo deMontagne irgendwo im Hintergrund die Fäden zog, war es besser, schneller zu sein als der Sohn der Hölle…
***
Sir Glenn fühlte sich beruhigt. Es war ein schier unglaublicher Glückszufall, daß ausgerechnet in diesen Stunden der Gefahr ein zauberkundiger Parapsychologe aufgetaucht war. Zufall - oder vielleicht doch eine Fügung des Schicksals? Bedeutete es vielleicht, daß der alte Fluch aufgehoben war?
Auf jeden Fall hatte dieser Zamorra den Knochenmann ausgeschaltet, und er würde auch mit dem Ungeheuer aus dem Loch fertigwerden. Davon war Sir Glenn jetzt fest überzeugt. Dieser Zamorra strahlte eine Ruhe und Sicherheit aus, die ansteckend war.
Ganz gleich, was Joanna über diesen jungen Kollegen zu meutern hatte. Sicher verstieß es gegen alle guten Sitten und alle Vorstellungen von Moral und Anstand, daß der Blonde sich sofort an Angely herangemacht hatte. Aber Sir Glenn wollte in diesem Fall einmal beide Augen zudrücken. Außerdem konnte er Angely ohnehin nicht mehr halten. Sie würde auch andere Wege finden, das zu tun, was sie und der Blonde wollten.
»Wir sind jetzt in Sicherheit«, sagte er. »Und wir werden eine Möglichkeit finden, diesen Zamorra und seine beiden Begleiter entsprechend zu belohnen. Und wenn dieser Gryf meint, zur Belohnung gehörte eine Nacht mit unserer Tochter, dann sollten wir ihm das ruhig zugestehen.«
»Du bist ein Scheusal«, fuhr Joanna ihn an. »Du Mädchenhändler, du Kuppler! Bist du von Sinnen? Das kannst du doch nicht ernst meinen!«
Sir Glenn zuckte zusammen. »So habe ich es nun auch wieder nicht gemeint«, versuchte er abzuschwächen.
»Ich weiß sehr wohl, wie du es gemeint hast«, zischte
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