0286 - Als der weise Merlin starb
öffnete und ins Büro stürmte, blieben ihr jedoch die bereits sorgfältig zurechtgelegten Schimpfkanonaden an der Zunge kleben.
In Anbetracht des Umstandes, daß es in Kerrs Dienstzimmer keine einzige Möglichkeit gab, sich richtig zu verstecken, stockte ihr dann doch der Atem.
Denn Kerr war - verschwunden!
Bis auf eine Kaffeelache und einige Scherben auf dem Boden - spurlos…
***
Die Fahrt zum Yard zog sich hin. Auch wenn keine Rush Hour war, gab es kaum eine Hauptverkehrsader, die nicht vollkommen verstopft war.
»Baustellen«, entschuldigte der Taxi Driver, ließ aber bei jedem Stopp ungerührt die Zeituhr weiterlaufen.
Zamorra trug es mit Fassung. Nicole machte sich ohnehin nichts draus, weil ihr die Langsamfahrt ganz gelegen kam. So konnte sie in aller Ruhe schon mal eine Vorauswahl der Geschäfte treffen, die sie später heimsuchen wollte. Außerdem war es erst halb Elf vormittags. Sie hatten also noch jede Menge Zeit.
Plötzlich spürte Nicole, wie Zamorra neben ihr zusammenzuckte und an seine Brust griff.
»Was ist?« fragte sie besorgt. »Ist dir nicht gut?«
Er antwortete nicht. Sein Gesichtsausdruck war seltsam. Als würde er nach innen lauschen und ihre Frage gar nicht wahrnehmen.
Der Taxifahrer hatte gemerkt, daß etwas nicht stimmte. Er warf einen kritischen Blick in den Rückspiegel.
»Herz?« fragte er. »Soll ich über Funk Hilfe rufen?«
Nicole zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht…« Sie faßte Zamorra behutsam am Arm. »Chérie«, sagte sie eindringlich. »Chérie, hörst du mich? Sag mir, was du hast. Wie wir dir helfen können…«
Die Angst krallte sich urplötzlich in ihre Brust.
Der Fahrer ließ das Taxi links an den Straßenrand rollen.
»Ist er krank? Hat er das öfter?«
Nicole fühlte sich nicht in der Lage, darauf zu antworten. Ihre Finger strichen vorsichtig über Zamorras Oberkörper, dorthin, wo er selbst eine Hand hinpreßte.
Das Amulett?
Sie berührte es durch den Hemdstoff hindurch - und prallte wie elektrisiert zurück.
Das Amulett war wie mit Strom aufgeladen und unnatürlich heiß!
Zamorra starrte noch immer ins Leere, während seine Lippen stumme Bewegungen ausführten, als würde er auf unhörbarer Ebene mit jemanden sprechen…
Nicoles Gedanken rasten.
Ein Dämonenangriff…?
Die Reaktion des Amuletts schien darauf hinzuweisen.
Aber warum schützte es seinen Besitzer dann nicht davor?
Wirkte Leonardos Manipulation immer noch so stark nach, daß Merlins Stern in einer solchen Extremsituation versagte?
Am Rande nahm Nicole wahr, wie der Taxifahrer über Funk einen Rettungswagen anforderte. Offenbar war ihm ein weiteres Zögern zu gefährlich erschienen.
Sie hinderte ihn nicht daran.
Sie wußte selbst nicht, was zu tun war.
Der Fahrer stieg aus und öffnete die Fondtür.
»Machen Sie ihm das Hemd auf«, forderte er Nicole auf. »Und den Hosengürtel. Er braucht Luft…«
Nicole nickte. Der Mann hatte recht. Sie knöpfte das Hemd auf.
Das Amulett wurde sichtbar.
Die geheimnisvollen Hieroglyphen unterhalb der zwölf Tierkreiszeichen pulsierten in düsterem Licht!
»Was ist denn das?« kreischte der Taxifahrer auf.
Ehe Nicole etwas erklären konnte, geschah es, daß Zamorra aus dem Taxi verschwand und den Chauffeur damit völlig aus der Fassung brachte…!
***
Die Ambulanz rückte gerade rechtzeitig an, um einen totalen Nervenzusammenbruch des Mannes aufzufangen.
Nicole hatte zwei Möglichkeiten: Entweder sie bestätigte die stammelnden Ausführungen des Taxifahrers, daß vor seinen Augen ein Fahrgast spurlos aus seinem Wagen verschwunden sei - als habe er sich in Luft aufgelöst. Oder sie reagierte auf die Schilderungen des Mannes ebenso wie die beiden Weißkittel: verständnisvoll, aber mit einem Blick, der deutlich genug sagte, was sie davon hielten. Spinnerei! Der Mann war wahrscheinlich nur überarbeitet. Der Verkehrsstreß rief manchmal die verrücktesten Halluzinationen hervor…
Der Fahrer wurde in den Ambulanzwagen verfrachtet. Nicole durfte ungehindert gehen. Sie nahm sich vor, sofort nach Ankunft im Yard bei Kerr für den armen Kerl zu intervenieren, der schuldlos in Zamorras Verschwinden verwickelt worden war.
Wenn sie die Worte des Fahrers bestätigt hätte, wäre sie mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls vorübergehend aus dem Verkehr gezogen worden. Das hätte keinem genützt. Höchstens den Kräften, die hinter dem Anschlag steckten.
Sie stoppte ein anderes Taxi.
Noch ahnte sie nicht, daß von Kerr keine Hilfe zu
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