0286 - Mister X und sein teuflischer Plan
persönliche Rechnung mit ihnen zu begleichen. Dann legte er auf, ehe ich etwas erwidern konnte. Ich bin daraufhin sofort hierhergekommen.«
»Sind Sie sicher, Miß Adams, daß es Fred Blyth war?«
»Völlig. Seine Stimme ist gar nicht zu verkennen.«
»Er sagte nicht, wo sich die beiden befinden?«
»Nein.«
»Haben Sie feststellen können, was Hank und Jesse gestern getrieben haben?«
Sie zuckte die Schultern. »Ein Mädchen vom Küchenpersonal hat die beiden gestern nachmittag wegfahren sehen. Weiter ist nichts bekannt.«
»Kennen Sie die Gewohnheiten der beiden? Bevorzugen sie irgendein Lokal? Oder womit verbringen sie ihre Freizeit?« Violet Adams senkte den Blick und dachte nach. Ihre seidigen Wimpern waren so lang, daß sie kleine Schatten auf die pfirsichfarbenen Wangen warfen.
»Ich glaube, Hank hat einmal geäußert, daß sie oft in Charlys Kneipe gingen.« Ich horchte auf. »Charly? Charly Ross? Meinen Sie den?«
»Es tut mir leid, Mr. Cotton.« Sie lächelte hilflos. »Aber ich kenne das Lokal wirklich nicht.«
***
Mit meinem Jaguar preschten wir hinüber nach Brooklyn.
Es war ein herrlicher, sonniger Herbsttag. Der Himmel erstrahlte in leuchtendem Blau. Vom Atlantik herüber wehte eine frische Salzwasserbrise. In den engen Straßen der Brooklyner Slums hockten Menschen vor ihren Häusern auf den wenigen Treppenstufen, sonnten sich und schienen mit der Welt zufrieden zu sein.
Kurz nach zwölf langten wir bei Charly Ross an. Wir hatten unseren Kollegen Dan Herrik auf dem Notsitz mitgenommen. Er hatte Hank und Jesse gestern nachmittag beschatten sollen, sie aber aus den Augen verloren, als die beiden in einem Menschenstrom untergingen, den ein Kino nach beendeter Vorstellung ausspie. Auch das kann einem G-man passieren.
Wir fanden Charly Ross über einem Lunch, der ungefähr seinen Vorstellungen von einer kräftigen Mahlzeit entsprach. Phil und ich hätten die Portion nicht in drei Tagen vertilgen können.
Charly Ross war nicht sonderlich groß, aber so breit, daß er sich durch schmale Türen seitwärts zwängen mußte. Vor seinem fetten Körper schob er einen Bauch daher, der so rund und prall vorsprang, daß man sicherlich ein halbes Dutzend Flaschen darauf hätte abstellen können. Auf dem rosigen, speckigen Hals saß ein runder Kopf mit kleinem Mund und listigen Schweinsäuglein. Wir kamen mit Charly prächtig aus.
Er begrüßte uns strahlend, nötigte uns einen Drink auf und drückte sein Bedauern über den Vorfall aus, der sich während unseres letzten Besuchs zugetragen hatte, als ich gezwungen war, mich mit einem bulligen, angetrunkenen Burschen herumzuprügeln. Man hatte ihm davon erzählt.
»Was führt euch zu mir, Gentlemen?«
»Wir suchen zwei Leute, Charly, die gestern abend vielleicht bei dir gewesen sind.«
»Um wen handelt es sich?« - »Hank Winter und Jesse Kelly.«
Charly schüttelte den Kopf und schob sich ein riesiges Stück Steak in den Mund. »Nie gehört«, sagte er und kaute heftig.
»Dan«, wandte ich mich an unseren Kollegen, »sei so gut und beschreib die beiden! Du hast sie zuletzt gesehen. Du kennst ihre Kleider und so weiter.«
Dan beschrieb die beiden. Schon nach den ersten Sätzen stellte Charly sein Kauen ein.
»Die beiden waren schon öfter hier. Ihre Namen weiß ich allerdings nicht. Sie sitzen meistens an einem Tisch und unterhalten sich. Der eine trinkt Gin, der andere nur Rum. Richtig, jetzt…« Charly schlug sich mit seiner fetten Hand auf die glänzende Stirn. »Die beiden kamen so gegen sechs und blieben bis… Richtig — bis gegen sieben. Höchstens! Ja, jetzt weiß ich’s wieder. Sie wurden angerufen. Ich selbst ging an den Apparat. Ein Mann war am anderen Ende. Er bat mich, die Brüder Cantler ans Telefon zu rufen. Ich habe dann ins Lokal gebrüllt, ob jemand namens Cantler da sei. Da ist der Kleinere der beiden aufgestanden. Ich meine den, der wie eine Schildkröte aussieht. Er ist ans Telefon gegangen, hat zu mir gesagt: ›Das ist für mich‹, und dann den Hörer genommen und gelauscht. Er hat nur einmal gesagt:,Okay, Boß!‘ Dann hat er aufgelegt. Die beiden haben ihre Rechnung bezahlt und sind gegangen. Ich habe mir das genau gemerkt, weil gerade nicht viel Betrieb war. Außerdem fand ich es verwunderlich, daß die beiden Brüder sein sollen, wo sie sich doch gar nicht ähnlich sehen.«
»Es sind keine Brüder, Charly. Der Name Cantler und die Bezeichnung Brüder waren nur eine Vorsichtsmaßnahme. Sag mal, hatte der Anrufer
Weitere Kostenlose Bücher