0288 - Dämonen-Orakel
Übersinnlichen seinen Lauf. Über ihm begann es im Gefüge zu knistern und zu knattern. Emporblickend sah er die Risse in der Decke über dem Eingang.
»Stirb wohl, Zamorra!« hörte er die Stimme der Hekate aus dem Mund der Kassandra. Dann verschüttete eine Lawine aus Marmorstuck und Fels den Eingang des Totentempels.
Professor Zamorra und Aurelian waren gefangen…
***
Durch die Straßen und Gassen von Troja raste der Wahnsinn.
In rasender Eile griff das Feuer aus den Vorstädten um sich. Die Häuser waren mit Schilf gedeckt und fingen leicht Feuer. Manch einer der Griechen sah sich um rasche Beute betrogen, weil die Flammen die Häuser zerstörten, bevor sie geplündert werden konnten. Das Heulen der Frauen und Kinder, die rohe Kriegerfäuste banden, um sie in die Sklaverei zu führen, mischte sich mit den Schreien der Erschlagenen. Aus ihrem Weinrausch erwachend wehrten sich die Trojaner mit allem, was ihnen in die Hände kam. Doch gegen die vollständig gerüsteten Achäer hatten sie keine Chance.
Nur dort, wo die Fürsten ihren Standarten voranschritten, wurde ein geregeltes Vordringen möglich. Mit geschwungener Lanze führte Agamemnon die Griechen hinter dem voranstampfenden mechanischen Pferd her. Der mächtige Koloß lief in abgehackten Schritten durch die Straßen, den Weg zur Königsburg hinauf.
Die wenigen Männer im Palast des Priamos, die noch eine Waffe halten konnten, hatten das Tor geschlossen und den mächtigen Sperriegel vorgelegt.
Wie ein Ungeheuer der Vorzeit stampfte das trojanische Pferd heran. Durch den Körper des greisen Königs ging ein Zittern, als er sah, wie die vorderen Hufe des Pferdes die Mauer des Königspalastes zermalmten. Krachend stürzten Steine herab. Splitternd zerbröselte der Marmor.
Dahinter drangen die Horden des Agamemnon in Ilion ein. Ihnen folgten die beutegierigen Scharen des Diomedes und der Heerbann des Fürsten von Lokris. Ajax selbst stürmte mit geschwungenem Kurzschwert seinen Männern voran. Die wenigen Verteidiger hatten keine Zeit mehr zu einem Sterbegebet.
Zwei Tränen flossen über die Wangen des greisen Königs. Die ersten Tränen seit dem Tode Hektors. Doch dann straffte sich sein ausgemergelter Körper. Aus seinem Gürtel zog er einen kleinen Dolch hervor und ritzte sich leicht am linken Unterarm, daß einige Blutstropfen hervortraten.
Rot fielen die Tropfen auf den Altar. Mit der Spitze des Dolches machte König Priamos ein Zeichen auf die Steinplatte, auf der bisher nur dem Zeus Opfer dargebracht wurden.
Doch es war nicht das Symbol des Donners. Es war das Zeichen der Erinnyen - der fürchterlichen Göttinnen der Rache.
Leicht bebte der Boden unter seinen Füßen, als das Zeichen vollendet war.
Unirdisches Grollen zeigte an, daß die finsteren Schwestern ihr Zeichen gaben.
»Ihr Schwestern der Finsternis! Hört die Worte eines Mannes, der die Wiege seines Geschlechtes in Flammen aufgehen sieht!« rief König Priamos mit fester Stimme. »Euch will ich gehören - mit Leib und Seele - wenn ihr mir die Kraft gebt, den Wahnsinnslauf dieses Pferdes zu stoppen. Retten kann ich nicht mehr! Doch rächen will ich! Und ihr seid die Vollenderinnen der Rache!
Dort unten werden meine Trojaner getötet. Ich, ihr König, will ihr Schicksal teilen. Helft mir dabei, ihr Erinnyen!
Laßt mich dem Feinde gegenüber nicht mehr als einen Sterblichen erscheinen. Sie sollen mich sehen, wie sie einen Schatten der Abgeschiedenen erkennen. Mag ihnen die Kraft versagen und das Grauen das Glut in den Adern gefrieren lassen. Und gebt meinem alten Körper die Kraft, die einst Herakles besaß. Herakles, der stärkste Mann, den die Erde je hervorbrachte.
Hört es, ihr Schwestern der Nacht! «
»Wir hören es!« heulte es durch die Nacht. » Geh hin, König Priamos und räche dein Volk!«
Im selben Augenblick spürte der alte König, wie ihn ungeahnte Kraftquellen durchströmten. Sein Körper veränderte sich nicht. Dennoch fühlte er, daß ihm ungeahnte Kräfte erwuchsen.
Mit beiden Händen ergriff er die mächtige Platte des Zeus-Altares und stemmte sie über den Kopf. Langsam aber stetig ging er zur Mauer, unter der gerade das Pferd an der Spitze der Krieger die breite Prozessionsstraße hinaufgeschritten kam. Nichts konnte den gewaltigen Koloß aufhalten.
Mit einem wilden Schrei schleuderte König Priamos die Platte des Altars herab. Sie trudelte einmal in der Luft und traf dann mit voller Wucht den Rücken des trojanischen Pferdes.
Ein fürchterlicher
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