Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0288 - Dämonen-Orakel

0288 - Dämonen-Orakel

Titel: 0288 - Dämonen-Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
Vom Netzwerk:
fairer Kämpfer gewesen war. Nun lag die Stadt offen vor ihm, die Zeit ehrenvoller Zweikämpfe war vorbei. Es ging darum, sich an den Schätzen der Stadt für die zehn Kriegsjahre zu entschädigen.
    »Ich sterbe schnell. Darum zeige ich euch den Weg zum gleißenden Gold!« nickte der alte König. »Folgt mir zum Tempel des Zeus. Dort werden die größten Kostbarkeiten der Stadt aufbewahrt!«
    »Geh voran!« zischte Diomedes unter dem Helm. »Bei der geringsten, verdächtigen Bewegung trifft dich mein Speer. Es kommt selten vor, daß ich einen Wurf verfehle!«
    König Priamos antwortete nicht. Hoheitsvoll ging er voran, während die Krieger hinter ihm sich um die ersten Plätze drängten. Aus der Ferne hörte man das Jammern der Frauen. Agamemnon war es gelungen, diesen Teil des Palastes zu erstürmen. Mit blutigem Schwert stand sein Bruder Menelaos vor Helena, seiner ehemaligen Gemahlin. Mit Gewalt mußte ihn Agamemnon zurückhalten. In rasendem Zorn wollte Menelaos die untreue Gattin erschlagen. Auf Befehl Agamemnons wurde die schöne Griechin als Sklavin zu den Schiffen geführt.
    Doch König Priamos war innerlich versteinert, als daß ihn Unglück noch rühren konnte. Vor seinen geistigen Augen zogen die Bilder schöner und glücklicher Tage in Troja vorbei. Die Zeit, bevor das Heer der Griechen anrückte.
    »Hektor, mein lieber Sohn!« flüsterte es unhörbar von den Lippen des alten Königs. »Bald sind wir im Reich der Schatten vereint. Der Tod ist freundlich. Er führt uns beide wieder zusammen!«
    »Vorwärts!« fauchte Diomedes. »Wir wollen unsere Augen im Glanze deines Goldes baden!«
    »Wir sind da! Laß deine Männer die Tore öffnen!« sagte Priamos mit festem Klang in der Stimme. Ein Wink des Diomedes mit der Lanze. Mehr als zehn Krieger schoben die mächtigen Türflügel zum Tempel des Zeus auf.
    Mit wahnsinniger Gier in den Augen drangen die Griechen in den Vorraum des Tempels ein. Fast wurden sie vom Glanz des Goldes geblendet. Der ganze Innenraum des Sanktuariums schien mit einer Goldschicht überzogen.
    Überall standen Statuen der Götter und Weihegegenstände aus Silber und Gold. Auf kleinen Seitenaltären häuften sich Juwelen und Edelsteine.
    »Der Reichtum des Priamos!« keuchte Diomedes. »Die Legenden werden noch übertroffen. Wahrlich, dafür hat sich der Krieg gelohnt!«
    Fasziniert blieb Diomedes am Eingang des Tempels stehen. Doch seine Männer drangen ein. Sofort begannen sie, in den Schätzen zu wühlen. Zwei Hände griffen in den gleichen Juwelenberg. Zwei Augenpaare fixierten den gleichen Edelstein. Obwohl im Tempel der Überfluß lag, niemand gönnte dem anderen etwas.
    Schwerter wurden gezogen. Speere sirrten durch die Luft. Im rasenden Goldrausch bekämpften sich die Krieger Achäas. Jeder wollte das Gold und die Juwelen des Priamos für sich alleine.
    »So wird Hektor gerächt!« hörte Diomedes die Stimme des alten Königs neben sich. »Sie geben sich in ihrer unmenschlichen Gier selbst den Tod!«
    »So sehr vermag der Glanz des Goldes den Menschen zu verändern!« sagte Diomedes. »Keinen Teil habe ich daran. Es ist totes Metall. Und sie kämpfen und töten, als hinge ihre Seeligkeit davon ab!«
    »Tritt zurück, Diomedes!« sagte König Priamos. »Ich will es vollenden. Den Erinnyen habe ich mich geweiht. Nun ist der Zeitpunkt gekommen!«
    Ohne ein Wort sagen zu können und zu einer Bewegung fähig zu sein sah Diomedes, wie König Priamos durch die Reihen der Kämpfenden schritt.
    Seine Augen fixierten eine der tragenden Säulen, auf denen das Dach ruhte.
    Niemand nahm Notiz von dem alten Mann, als er sich gegen die Säule lehnte.
    »Noch einmal, ihr Töchter der Nacht, bitte ich euch um Kraft!« stieß Priamos hervor. »In meinem Tod soll sich das Schicksal dieser goldgierigen Griechen besiegeln!«
    Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als ungeahnte Kraftströme durch seinen Körper flossen. Mit aller Macht drückte er gegen die Säule. Krachend stürzte sie zusammen. Im selben Moment brach der ganze Tempel des Zeus aus dem Gefüge. Grollend stürzte die Decke herab.
    »Hektor. Ich komme!« waren die letzten Worte des Königs. Dann stürzte das Tempeldach herab und begrub ihn und die sich um die Goldschätze streitenden Griechen unter tonnenschwerem Gestein.
    Mit grauenverzerrtem Gesicht wandte sich Diomedes ab. Die Lanze entfiel seiner Hand. Mit einer müden Bewegung schob er sich den Helm vom Kopf. Schwankenden Schrittes taumelte er durch die Straßen der brennenden Stadt

Weitere Kostenlose Bücher