0288 - Dämonen-Orakel
daß Ajax genau der Mensch war, den sie für ihre Pläne gebrauchen konnte.
Er war machtgierig und voller Hochmut. Ein williges Werkzeug für die Pläne der Totengöttin. Kassandra war zwar unverwundbar - aber nicht zum Kampf geeignet. Ajax jedoch war einer der besten Fechter und Speerwerfer des ganzen Heeres. Dazu kam, daß er über eine Schar tapferer Männer verfügte.
Diese Männer mußte Hekate unter ihre Kontrolle bringen. Dann würden sie kämpfen und sterben, ohne nach dem »Warum« zu fragen.
»Ich will mit dir gehen, Ajax von Lokris!« hörte der Grieche Kassandra sagen. »Das Schicksal hat uns zusammengeführt!«
»Du bist meine Sklavin!« fauchte Ajax.
»Wenn es dich glücklich macht, dann betrachte mich als deine Sklavin!« erklärte Kassandra mit einem leisen Lächeln. »Doch sieh her, was ich dir zuführe!« Aus den Falten ihres Gewandes zog sie langsam den Dhyarra hervor.
»Solch ein Juwel habe ich noch nie gesehen!« entfuhr es Ajax. Seine Augen flackerten begehrlich. »Gib es mir!«
»Wenn es dich glücklich macht!« sagte Kassandra noch einmal. Dann drückte sie den Dhyarra dem Griechen in die Hand.
Unter dem Helm verzog sich das Gesicht des Ajax zur schmerzhaften Grimasse.
Die Macht des Kristalls griff nach ihm und begann, ihn auszusäugen.
»Du gehörst mir und meinem Willen!« sagte Kassandra leise und legte ihre Hand wieder auf den Dhyarra, während die andere Hälfte des Kristalls noch in der Hand des Griechenfürsten verblieb und dadurch die Verbindung bestand. »Du wirst dem Kristall und mir dienen, Ajax von Lokris, Sklave des Dhyarras!«
»Ich… ich gehorche dem Kristall!« flüsterten die Lippen des Lokrers unhörbar.
»Rufe deine Männer, Ajax!« befahl Kassandra. »Wir werden dein Schiff besteigen und von hier fortsegeln. Der Stein wird uns den Weg zu einem mächtigen Felsen weisen, hinter dem alle Schätze dieser Welt verborgen sind. Sie werden uns gehören, Ajax, wenn du mutig genug bist!«
»Männer, die Ajax feige nannten, sind tot!« brummte der Lokrer.
»Dann laß uns gehen. Und vergiß nicht, daß ich, nur ich, diesen Kristall berühren darf. Sonst vernichten dich seine Kräfte!«
In diesem Moment zuckte Kassandra zusammen. Das Innere der Hekate spürte, daß ein Teil ihrer Substanz vernichtet war.
»Zamorra! Er lebt!« entfuhr es der Tochter des Priamos.
»Was! Zamorra ist hier!« fuhr Ajax auf. Er hatte den Meister des Übersinnlichen kennengelernt, als er das erste Mal versuchte, den Macht-Kristall aus Troja zu entwenden. »Ich hoffe, er ist nicht unser Feind!«
»Kaum!« bemerkte Kassandra spöttisch. Hekate in ihrem Inneren hatte sich wieder voll unter Kontrolle. Sie wußte, daß der Eingang zum Tempel durch die Felsen versperrt war. »Er wird nicht mehr lange leben!«
»Viele sterben in dieser Nacht!« sagte Ajax achselzuckend. »Doch ich kenne Zamorra sehr gut. Er ist ein Kämpfer, den selbst Götter fürchten würden.«
»Kümmere dich nicht weiter um ihn!« drängte Kassandra. »Für uns ist er bereits im Reich der Schatten. Vorwärts. Zu den Schiffen!«
Ajax nickte kurz. Dann griff er Kassandra bei der Hand und zog sie hinter sich her. Unwillig folgten ihm die Männer von Lokris, als er sie rief. Warum hinderte er sie nun daran. Beute zu machen? Doch niemand wagte es, sich den Befehlen des Fürsten zu widersetzen, wer es je versucht hatte, konnte von Glück sagen, wenn ihn Ajax am Leben ließ.
Während sie die brennenden Straßen Trojas zum skäischen Tor hinabliefen, hörte Kassandra die Stimme der Hekate wieder in sich.
»Ich spüre, daß unser großer Gegner Zamorra noch lebt!« flüsterte die Totengöttin in ihrem Inneren. »Es ist ihm und seinem Freund gelungen, einen Teil von mir zu vernichten! Und mir wird bewußt, daß er aus seinem Gefängnis hinauskommt. Mit meinen geistigen Augen erkenne ich, daß sich die beiden Gegner bereits auf dem Wege nach oben befinden. Sie sind stark geworden! Sehr stark! Ich werde all meine Kraft aufbieten müssen, um sie jetzt noch zu töten. Daher werde ich dich nun verlassen. Wenn das Werk vollbracht ist, kehre ich zurück. Führe du, Kassandra, nur meinen Willen aus. Gehe mit Ajax an Bord und weise ihm den Weg durch das Meer, den ich dir in dein Innerstes gelegt habe. Denke immer daran, daß du unsterblich bist. Nichts, was Menschen oder die Natur als Waffe verwenden, kann dich töten. Heute nicht, morgen nicht und nicht in hundert oder tausend Jahren. Nur etwas, das mir selbst den Tod bringen könnte, kann
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