0296a - Lösegeld für blonde Locken
seiner Brieftasche eingenäht.«
»Die Brieftasche wurde ihm abgenommen. Mit wem war Henry Moore verabredet?« begann ich von vorn.
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie gequält.
»Haben Sie kein Telefongespräch mitangehört, das Ihr Mann führte? Besinnen Sie sich. Jede Einzelheit ist jetzt wichtig.«
»Nein, Mr. Cotton, ich weiß wirklich, nichts.«
»Die Liste mit den Namen der Mütter ist wahrscheinlich in die Hände der Verbrecher gefallen, Mrs. Moore«, schaltete sich Phil ein.
Ich warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, weil er mich vom Thema abbrachte. Aber mein Freund fuhr unbeirrt fort:
»Waren auch die Adressen der Adoptiveltern auf dieser Aufstellung?«
»Ja«, sagte die Frau.
Wir wußten blitzartig, was das zu bedeuten hatte. Die Gangster konnten eine große Erpresseraktion starten. Denn kaum ein Adoptivelternpaar wird es angenehm sein, wenn der Name der wirklichen Mutter bekannt wird. Verständlich, daß sich die Gangster große Summen an Schweigegeld ausrechnen.
»Wieviel Karteikarten besitzen Sie?« fragte ich.
»Im Augenblick etwas über sechzig. Das sind die Karten der letzten zwölf Monate«, sagte die Frau gefaßt.
»Mrs. Moore, sind Sie einverstanden, wenn wir die Karteikarten mitnehmen?« Die Frau nickte. »Übrigens, haben Sie noch Verwandte in New York?«
»In New Jersey«, antwortete sie.
»Dann schicken wir Ihnen einen Wagen, der Sie nach New Jersey bringt. Wir brauchen für einige Tage das Arbeitszimmer Ihres Mannes. Es entstehen Ihnen keine Unannehmlichkeiten. Wir werden telefonieren müssen von Ihrem Anschluß aus. Selbstverständlich trägt das FBI die gesamte Monatsgebühr. Sie dürfen einige Tage bei Ihren Verwandten das Haus nicht verlassen. Sind Sie mit unserem Plan einverstanden? Ich muß hinzufügen: Wir können Sie keinesfalls dazu zwingen.«
Die Frau nickte, stand auf und sagte: »Dann will ich jetzt meine Sachen packen.«
»Wir bedauern, Mrs. Moore, Ihnen diese schlechte Nachricht überbracht zu haben«, sagte ich. »Aber das Leben ist unbarmherzig. Sie werden es oft genug am eigenen Leibe erfahren haben.«
»Darf ich trotzdem meinen Mann noch einmal sehen?« flüsterte sie.
»ich glaube, ja, sobald die Leiche freigegeben ist«, antwortete ich.
Wir bestellten ein Taxi, das Mrs. Moore nach New Jersey bringen sollte. Unsere Tür stand offen. Ich hörte Mrs. Moore im Nachbarraum packen. Sie schleifte einige Koffer über den Boden und klappte sie auf. Dann wurde der Wäscheschrank geöffnet. Die Frau nahm Kleider vom Bügel und legte sie in den Koffer.
Diese Geräusche beruhigten uns. So wußten wir wenigstens, daß Mrs. Moore nicht schwermütig wurde.
Phil teilte den Stapel Karteikarten auf. Ich erhielt einen Packen. Die restlichen behielt er. Wir studierten die Rückseite der Karteikarten, auf denen die Namen der Adoptiveltern standen. Unten in der Ecke befand sich jeweils ein Datum, das uns bis zu diesem Augenblick ganz entgangen war. Dieses Datum bedeutete den Übergabetermin des Babys.
Wir beurteilten die Vermögensverhältnisse der Adoptiveltern nach der Wohnlage. Das war die einfachste Methode, nach der auch die Gangster Vorgehen würden.
Nach zwanzig Minuten hatten wir aus den sechzig Karteikarten zehn herausgesucht. Ich legte sie auf den Schreibtisch und sortierte die übrigen dreiundfünfzig Karten wieder in die Kästen. Trotz des Verbotes mußte Dr. Moore weiter seine Praxis ausgeilbt haben. Auf diese Weise erfuhr er am schnellsten, wer in den Armutsvierteln sein Baby zur Adoption anmelden wollte. Dr. Moore hatte sich eingeschaltet und selbst den Vermittler gespielt.
Vielleicht war er zufällig mit Erpressern zusammengeraten, die ihm verlockende Angebote machten. Henry Moore war ihnen auf den Leim gegangen und hatte mit dem Leben bezahlt.
Ich gab Phil einen Wink. Mein Freund stand auf und trat in die Diele. Im Nachbarraum war es still geworden. Phil klopfte an die Schlafzimmertür.
»Hallo, Mrs. Moore«, sagte er.
»Sie brauchen keine Sorge zu haben, ich mache keine Dummheiten«, erwiderte sie mit müder Stimme.
Schritte näherten sich der Tür. Die Frau öffnete und stand im hellgrauen Kostüm vor Phil. Das Kleidungsstück war an mehreren Stellen mit wertvollem Pelz besetzt. An ihren Fingern steckten einige kostbare Brillantringe. Durch ein raffiniertes Make up sah ihr Gesicht zehn Jahre jünger aus.
Mrs. Moore tippelte durch die Diele und erschien auf der Schwelle zum Arbeitszimmer. Als ich die Frau einige Zeit gedankenverloren angestarrt
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