0296a - Lösegeld für blonde Locken
Harry gehört zu haben. Es war klar, daß ich auf den Leim gegangen war. Wenn Moore mit Harry arbeitete, wußte der Doc selbstverständlich auch dessen Telefonnummer.
»Trotzdem würde ich Ihnen raten, Jerry, die Adresse dieses Anschlusses festzuhalten«, schlug Mr. High vor. Ich gab der Zentrale den Auftrag.
Keine dreißig Sekunden später schlug das Telefon an. Mr. High saß näher am Apparat und nahm auf. Auf seiner Stirn bildete sich eine Steilfalte. Das Gespräch dauerte genau zehn Sekunden. Dann legte unser Chef den Hörer auf die Gabel.
»Ein Fall von Kidnapping«, sagte Mr. High, »Adresse Fifth Avenue 1183, Mr. Jorgen erwartet Sie. Aber bittet um äußerste Diskretion.«
Wie von der Tarantel gestochen sprangen Phil und ich auf. Zurück blieben zwei Kaffeetassen, die von uns noch nicht berührt worden waren. Wir fegten den Hinteraufgang hinunter und sprangen in einen himmelblauen Chevy der Fahrbereitschaft ohne Sirene und Rotlicht. Die Geschwindigkeit spielte bei der kurzen Entfernung von der 69. Ost bis zur Fifth Avenue sowieso keine Rolle. In drei Minuten erreichten wir die Prachtstraße. Vor der Tür des Hauses 1183 bis zum Gehwegrand spannte sich ein roter Baldachin. Ich ließ den Chevy fünfzig Yard weiterrrollen. Dann stiegen mein Freund und ich aus, um wie zwei harmlose Spaziergänger zur Haustür zurückzubummeln. Wir stiefelten zum Lift, der sich unten befand, und stiegen ein. Ich drückte den Knopf vor dem Schildchen F. Jorgen. Geräuschlos surrte der Aufzug nach oben. Er bremste weich im sechsten Stock. Wir stiegen aus. Dem Lift gegenüber befand sich die Wohnungstür. Mein Blick fiel auf ein teures Wohnungsschild, das den Namen Fred Jorgen trug. Es war eine erstklassige Emaillearbeit mit Goldlettern ausgelegt. Auch die Klingel war vergoldet. Ich wagte trotzdem zu läuten. Die Tür flog auf. Ich sah in ein völlig verstörtes Gesicht eines hageren Mannes.
Unaufgefordert zog ich meinen FBI-Ausweis.
»Sie haben mit unserem Chef telefoniert. Mein Kollege Phil Decker und ich übernehmen den Fall.«
Ohne ein Wort zu sagen, machte der Mann Platz und ließ uns eintreten. Er führte uns in den Salon. Ein korpulenter Mann mit einem zu klein geratenen Kopf erhob sich. Er ging mir bis zu der Kinnspitze.
»Mein Rechtsanwalt, Dr. Belman«, sagte der Hagere, der uns die Tür ge-, öffnet hatte. Wir stellten uns vor.
»Und Sie sind Mr. Jorgen?« wandte ich mich an den Hageren.
»Entschuldigen Sie, daß ich mich noch nicht vorgestellt habe«, murmelte er und bot uns Platz an.
»Etwas zu trinken?« fragte Jorgen. Vor dem Rechtsanwalt stand ein Whiskyglas, das fast zur Hälfte geleert war. Phil und ich lehnten dankend ab. Seltsam berührte mich die Ruhe dieses Vaters, dem ein Baby geraubt worden war. Bisher hatte ich noch niemanden erlebt, der in einem solchen Fall den FBI-Beamten Whisky anbot. Phil schien die gleichen Gefühle zu haben. Ich setzte mich deshalb nur auf die Vorderkante des Sessels und fragte:
»Wann ereignete sich das Verbrechen?«
»Leider schon gestern mittag«, sagte der Anwalt, »gestatten Sie mir, daß ich Ihnen alles berichte, was sich bis jetzt ereignet hat. Ich fürchte, es wird für Mr. Jorgen zuviel, alles auf einmal zu schildern. Ich darf Sie, Mr. Jorgen, allerdings bitten, mich sofort zu korrigieren, wenn ich irgend etwas falsch darstelle.«
Wir erfuhren innerhalb einer Viertelstunde, wie sich das Kidnapping abgespielt hatte und wie die Säuglingsschwester wenige Stunden nach der Tat ein anderes Baby ins Haus schmuggelte.
Mr. Jorgen reichte uns das Telegramm und den Brief der Kidnapper und lieferte eine exakte Beschreibung seines Besuchers.
Phil machte sich Notizen und entschuldigte sich nach wenigen Minuten. Er fuhr zum Portier hinunter und rief von der Telefonzelle die Zentrale an. Er bat um einen Grafiker, der nach den Angaben von Fred Jorgen und der Nurse das Gesicht des Gangsters skizzieren sollte.
Nach zehn Minuten war Phil wieder oben. Genauso lange hatte ich gebraucht, um Mr. Jorgen nach weiteren Einzelheiten über seinen morgendlichen Besucher zu fragen. Offenbar mußte es sich um einen Besucher mit Stahlnerven handeln.
»Miß Linda Bee ist im Hause?« fragte ich.
Als Mr. Jorgen bejahte, bat ich ihn, das Girl zu holen. Nach wenigen Sekunden stand sie auf der Türschwelle. Linda trug die Tracht einer Säuglingsschwester, graues Kleid mit dunkelblauen Streifen und ein Häubchen über kurzen, strohblonden Haaren.
Sie hatte geweint. Das Taschentuch hielt sie noch
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