0296a - Lösegeld für blonde Locken
bei.
»Und was raten Sie mir zu tun?« fragte Fred Jorgen, »soll ich zahlen oder…«
»Das ist Ihre reine Privatsache, Mr. Jorgen«, erwiderte ich, »in einem solchen Fall dürfen wir Ihnen nicht einmal einen Rat geben. Besprechen Sie sich mit Ihrem Rechtsanwalt. Aber informieren Sie uns, was Sie zu tun gedenken. Obgleich wir auch im Fall des Erpressers dann keine Fahndungsplakate aushängen können, wird unser Grafiker trotzdem nach Ihren Schilderungen ein Bild von dem Gangster skizzieren. Vielleicht steht der Bursche bereits in unserer Kartei, und wir können wenigstens einen Steckbrief für die Cops anfertigen lassen.«
Als der Zeichner kam, machten wir ihn mit Jorgen, dem Rechtsanwalt und dem Girl bekannt. Dann verabschiedeten wir uns.
Im Aufzug sagte ich zu Phil:
»Jetzt wissen wir wenigstens, wie dieser Harry aussieht.«
Mein Freund sah mich verständnislos an.
»Erinnerst du dich an den Anrufer heute morgen, der von Moore beliefert werden wollte. Er rühmte sich, gestern abend auf die Schnelle ein Baby vermittelt zu haben. Dieser Harry ist also nicht viel größer als ein Zwerg und soll von Beruf Rechtsanwalt sein.«
»Mir ist mehr daran gelegen, diesen Ernest Borigin zu fassen«, meinte Phil.
***
Mein Freund fuhr mit einem Taxi los, während ich zu unserem Chevy zurückbummelte. Als ich die Tür in der Hand hatte und mich hinter das Steuer schwingen wollte, kam mir ein Gedanke. Ich schlug die Tür wieder zu und bummelte die Fifth Avenue etwa hundert Yard südwärts. Ich stand vor dem Haus, in dem Mrs. Ripson wohnte. Sie mußte für die Erpresser ein lohnender Fall sein, denn jedermann wußte, daß hier sehr wohlhabende Leute wohnten.
Der Liftboy brachte mich in den elften Stock. Dann schellte ich. Eine Säuglingsschwester öffnete. Ich erkannte sie an der Tracht.
»Mr. Ripson erwartet Sie bereits im grünen Salon«, flötete das Girl und schwebte voraus.
Die Diele war im niederländischen Stil eingerichtet. An den Wänden standen schwere Eichentruhen, dunkel gebeizt und mit Jahreszahlen aus geschmiedetem Eisen besetzt, die auf die Anfangszeit New Amsterdams hinwiesen. Die Wände waren mit erlesenen Hölzern vertäfelt und dazu noch mit schweren Orientteppichen von den Ausmaßen eines Baseballplatzes behängt.
Das Girl öffnete die rechte Seite der breiten Flügeltür. Vor mir lag ein Salon, der die Größe eines Tanzsaales hatte. Die Mitte war frei, das heißt nicht ganz. Auf dem makellosen Parkett lag ein Afghanenteppich, der seine hunderttausend Dollar wert war. Ich wagte nicht den Fuß darauf zu setzen. Mehrere Sitzgruppen waren über den Raum verteilt. Durch die Fensterfront fiel das Licht auf den Central Park.
Als ich den Raum betrat, räkelte sich Mrs. Ripson von der Couch hoch. Ihre Erscheinung überraschte mich, denn ich hatte eine ältere Frau erwartet, weil gewöhnlich Adoptionen nur von älteren Ehepaaren vorgenommen werden. Aber Mrs. Ripson konnte sich noch gut unter die Kollegegiris mischen, ohne aufzufallen.
Als sie aufstand, sah ich, daß sie meine Größe hatte. Ihr strohblonder Scheitel reichte mir bis zu den Augenbrauen.
»Hallo, Mr. Cotton«, hauchte sie, »bitte schön, nehmen Sie Platz.«
Mit der linken Hand wies sie auf einen lindgrünen Sessel, der direkt neben ihrer Couch stand. Mrs. Ripson steckte in einem dunkelgrünen Hausanzug aus Seide, der ihre schlanke Gestalt noch mehr betonte. Sie hatte das Gesicht einer lieblichen Puppe, die selbst ein Erwachsener noch wegen ihrer Schönheit auf den Kaminsims stellt. Unter einer leicht gewölbten Stirn zwei veilchenblaue Augen, ein zierliches Näschen und ein voller Mund. Sie trug die langen blonden Locken im Nacken mit einem Goldband zusammengefaßt.
Der Servierwagen wurde von der Kinderschwester geschoben.
Mrs. Ripson gab gleich die Erklärung dafür:
»Ich will keine fremden Leute im Hause haben, höchstens Marga. Sie hat in Germany gelernt und versteht sich nicht nur auf Babypflege.«
Marga lächelte dankbar und schwebte hinaus.
Mrs. Ripson gab Mokka in die hauchdünnen Porzellantassen.
Ich unterbrach die Schilderung.
»Ich habe nicht lange Zeit, Ihnen alles auseinanderzusetzen. Dr. Moore wurde in einem Haus in der Uptown ermordet aufgefunden. Die Mörder nahmen eine Liste mit. In dieser Liste standen die Namen der leiblichen Mütter und die Namen der Adoptiveltern. Es ist klar, warum die Gangster das Papier brauchten. Sie wollen die Adoptiveltern erpressen. Denn die meisten legen großen Wert darauf, daß die
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