0298 - Im Haus der schlimmen Träume
solche Fälle«, erwiderte der klapperdürre Lokalredakteur und fügte beschwichtigend hinzu: »Du willst doch deine Tochter Wiedersehen, oder? Der Mann ist eine Kapazität auf seinem Gebiet. Ein Professor der Parapsychologie, der sich auch mit Dämonentum beschäftigt.«
»Der Parapücho… was?« polterte Arthur O’Keefe immer noch. »Dann können wir ja gleich Flugblätter verteilen oder einen Artikel in dein Käseblatt setzen, um alle Leute darüber aufzuklären, was heute nacht passiert ist!«
»Du verstehst nicht«, widersprach Atkins. »Der Mann ist diskret. Wir hätten ja auch die Bullen einschalten können. Aber dann säßen wir mit Sicherheit längst in einer geschlossenen Anstalt. Oder glaubst du, irgend jemand von diesen Schreibtisch-Genies würde uns nur ein einziges Wort von dem glauben, was wir zu erzählen hätten?«
»Ich glaub’s ja selbst nicht«, meinte der Wirt schon wieder etwas beruhigt. »Okay, lassen wir ihn kommen. Soll er sich die Sache ansehen - wenn’s überhaupt noch was zu sehen gibt. Das Haus ist schließlich verschwunden. Und Myrja auch!«
Arthur O’Keefe stand mit Atkins in der kleinen Küche des Pubs, damit niemand Zeuge ihrer Unterhaltung werden konnte.
»Ich kapier’s einfach nicht, Gil«, sagte er plötzlich im Tonfall eines alten Mannes. »Haben wir das alles nun geträumt, oder gibt’s das wirklich, daß über Nacht ein Haus auftaucht, das nie zuvor da war, wieder verschwindet und dabei einen Menschen mitnimmt…? Das müssen wir doch geträumt haben.«
»Und was ist mit dem Kettchen und dem Anhänger, die du im Haus gefunden hast?« fragte Atkins. »Gehört das nun deiner Tochter oder nicht?«
O’Keefe ließ seine Hand unter der Schürze verschwinden, die er sich um den Bauch gebunden hatte, und holte das goldene Kruzifix aus der Hosentasche.
»Nein«, murmelte er dann wie zu sich selbst. »Kein Traum… Großer Gott - ich werde meine Tochter nie mehr Wiedersehen… !«
***
Der Ort schien wie eingeschläfert in der brütenden, gewittergeladenen Abendhitze, als Zamorra den Leihwagen am Ortseingangsschild vorbeilenkte.
TUTHBANTRY stand dort in verwitterten Buchstaben, und Zamorra konnte sich eines gewissen Stolzes nicht erwehren, daß er mit Nicoles Hilfe überhaupt bis hierher gefunden hatte. Der Weg mit dem Flugzeug nach Cork war kein Problem gewesen, das Organisieren eines fahrbaren Untersatzes auch nicht, und an die Linksfahrerei hatte er sich durch seine vielen Gastspiele in Großbritannien und Irland längst gewöhnt - aber diese Zwerggemeinde namens Tuthbantry war auf keiner normalen Straßenkarte zu finden gewesen. Erst nach langwierigen Erkundigungen und dem Studieren einiger Spezialkarten war es gelungen, die Fahrtroute festzulegen.
Und nun waren sie da.
»Halte mal Ausschau nach diesem Pub. ›Ye Public House‹ hieß es, glaube ich«, sagte Zamorra.
Nicole räkelte sich in Shorts und offenherzigem T-Shirt auf dem Beifahrersitz, blinzelte gegen die tiefstehende Sonne, in die sie geradewegs hineinzufahren schienen, und gab einen schnurrenden Laut von sich, den man als vieles deuten konnte, wenn es sein mußte auch als Zustimmung.
Wenig später hielten sie vor dem in Dorfmitte günstig plazierten Wirtshaus.
Auf dem Bürgersteig davor hüpften ein paar Kinder auf und ab. Erwachsene sah man kaum. Und auch Autos schienen rar gesät. Das Dorf war so klein, daß die Bewohner es innerorts wohl nicht für nötig befanden, sich motorisiert fortzubewegen. Aber was war mit Kontakten zu den größeren Nachbarstädten, zum Beispiel Kanturk oder Rath Luirc?
»In Irland gehen die Uhren anders«, meinte Nicole lachend, als sie Zamorras grüblerische Miene sah und richtig deutete. »Langsamer. Viel ruhiger und gemächlicher als im übrigen hektischen Europa.«
»Da magst du recht haben«, gab Zamorra zurück. »Selbst die vielgepriesene Ruhe der Franzosen ist nicht mehr das, was sie mal war.«
Er schwieg und sah zu dem Pub hinüber, dessen Eingangstür sich in diesem Augenblick öffnete und eine rotbärtige Bohnenstange ins Freie entließ, die Zamorra auf Anhieb wiedererkannte.
»Das ist er«, sagte er zu Nicole.
»Wer?«
»Der Mann, der mich angerufen hat.«
»Oh…«
Ein weiterer Kommentar war ihr nicht zu entlocken. Der hagere Ire umrundete den Wagen und klopfte mit feixendem Grinsen gegen die Fensterscheibe.
Zamorra gab Nicole ein Zeichen und stieg dann selbst aus.
Gilbert Atkins begrüßte ihn geradezu überschwenglich mit Handschlag und
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